Rz. 7
Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH ist unter einem "Landgut" im Sinne von § 2049 eine Besitzung zu verstehen,
Zitat
"die eine zum selbstständigen und dauerhaften Betrieb der Landwirtschaft einschließlich der Viehzucht oder der Forstwirtschaft geeignete und bestimmte Wirtschaftseinheit darstellt und mit den notwendigen Wohn- und Wirtschaftsgebäuden versehen ist. Sie muss eine gewisse Größe erreichen und für den Inhaber eine selbstständige Nahrungsquelle darstellen; dass eine Ackernahrung vorliegt, ist jedoch nicht erforderlich; eine Besitzung kann auch dann ein Landgut sein, wenn der Inhaber neben der Landwirtschaft einen anderen Beruf ausübt".
Das OLG München führt zu den Privilegierungsvoraussetzungen aus:
Zitat
"Damit kann sogar eine landwirtschaftliche Nebenerwerbsstelle Landgut sein. Zur Vermeidung verfassungswidriger Ergebnisse ist der Begriff des Landgutes im Sinne von §§ 2312, 2049 BGB und damit der Anwendungsbereich dieser Vorschriften allerdings dahin einzuschränken, dass der Gesetzeszweck, nämlich die Erhaltung eines im obigen Sinne noch leistungsfähigen, landwirtschaftlichen Betriebes in der Hand einer vom Gesetz begünstigten Person, erreicht werden wird."
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Feststellung der Landguteigenschaft ist der Eintritt des Erbfalles.
Rz. 8
Der Begriff der Landwirtschaft entspricht dem in § 585 BGB. Einer bestimmten Größe des Landguts bedarf es historisch betrachtet nicht, jedoch stößt eine Privilegierung von Kleinstbetrieben, zu Lasten der Gleichbehandlung der Erben, auf verfassungsmäßige Bedenken.
Rz. 9
Das Landgut muss dabei Eigentum, nicht zwingend Alleineigentum des Erblassers sein. Vom Erfordernis des Alleineigentums ist insbesondere eine Abweichung dann zuzulassen, wenn der Übernehmer im Ergebnis Alleineigentümer wird und damit der Gesetzeszweck der Fortführung des Betriebes in einer Hand erreicht wird.
Rz. 10
Es ist unerheblich, ob das Landgut zuvor in der Höferolle gelöscht wurde. Die weitergehenden Voraussetzungen für einen Hof im Sinne der Höfeordnung, insbesondere eine Mindestertragskraft, ist bei einem Landgut i.S.d. BGB nicht erforderlich.
Rz. 11
Landgut sind, insbesondere auch unter Anknüpfung an § 585 Abs. 1 S. 2 BGB:
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Gartenbaubetriebe und zwar unabhängig davon, ob die Erzeugung im Boden, in Behältnissen oder unter Glas erfolgt (§ 585 Abs. 1 S. 2 BGB) |
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Tierzuchtbetriebe, allerdings nur solche, die mit der Bodennutzung verbunden sind (§ 585 Abs. 1 S. 2 BGB) |
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Weinbaubetriebe |
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Weidewirtschaftsbetriebe |
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Erwerbsobstbaubetriebe |
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Imkereibetriebe |
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Binnenfischereien, soweit sie private Teichwirtschaftsbetriebe sind. |
Rz. 12
Ob reine Forstgüter als privilegierte Landgüter im Sinne des § 2049 Abs. 1 BGB anzusehen sind, ist streitig, wenngleich sie von den Privilegierungen der Höfeordnung und einiger Anerbengesetze erfasst werden (HöfeO, HessLandgüterO, WürttAnerbenG). Mit ihnen wird keine Landwirtschaft im engeren Sinn betrieben. Auch rein wirtschaftlich findet sich keine mit dem landwirtschaftlichen Betrieb vergleichbare Situation, die eine Erhaltung großer Flächen zur wirtschaftlichen Bewirtschaftung zwingend macht. Eine Privilegierung zu Lasten von Erben und Pflichtteilsberechtigten ist daher abzulehnen und nicht in den Kontext zu bringen mit dem ursprünglichen Zweck der Privilegierung, nämlich, wie das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 20.3.1963 ausführt, "die Volksernährung sicherzustellen", also ein überragendes Grundbedürfnis der Allgemeinheit.
Rz. 13
Keine Landgüter im Sinne der Vorschrift sind all jene Betriebe, die nicht auf der wesentlichen Betriebsgrundlage Grund und Boden bewirtschaftet werden, bspw. Tierzuchtbetriebe, in Form von Agrarfabriken, die Massentierhaltung betreiben und Futter weit überwiegend zukaufen. Sie stellen reine Gewerbebetriebe dar und unterliegen als solche den erbrechtlichen Vorschriften. Für eine Privilegierung ist kein Raum, denn sie soll nur den für die Landwirtschaft typischen Eigenheiten, insbesondere der starken Bindung an das Bodeneigentum, Rechnung tragen. Über den engen Anwendungsbereich der Vorschrift hinausgehende Einschränkungen der Rechte von Miterben lassen sich hingegen nicht begründen. Das dürfte insbesondere auch bei nichtlandwirtschaftlicher Nutzung im Rahmen von Energiegewinnung (Biogas-, Photovoltaik-, Windkraftanlagen) zumindest dann eine Rolle spielen, wenn längerfristig eine landwirtschaftliche Nutzung ausgeschlossen ist.
Rz. 14
Mischbetriebe unterliegen zwar, soweit dies durch Auslegung der letztwilligen Verfügung zu ermitteln ist, dem Übernahmerecht des Miterben, der das Landgut übernehmen soll. Eine auch nicht landwirtschaftlich genutzte Betriebsteile erfassende Privilegierung bei der Bewertung lässt sich hingegen nicht rechtfertigen. Mithin erfolgt für den landwirtschaftlichen Betriebsteil die Bewertung mit dem Ertragswert, während für den nichtlandwirtschaftlichen Betriebsteil die Bewertungsgrundsätze für gewerbliche Betriebe anzuwenden sind.