a) Grundsätzliches
Rz. 87
Der Ausschlusstatbestand der Bewusstseinsstörung ist der praktisch relevanteste Risikoausschluss, insbesondere wegen alkoholbedingter Bewusstseinsstörungen im Straßenverkehr. Der Ausschluss erfasst solche Risiken, die über das normale Unfallrisiko hinausgehen, weil die VP bei den genannten Zuständen nicht in der Lage ist, eine drohende Unfallgefahr klar zu erkennen oder überhaupt wahrzunehmen und sich zwecks Vermeidung des Unfalls entsprechend richtig zu verhalten.
Ab den AUB 2014 entfällt der Ausschluss der Geistesstörung, der bisher mit den Bewusstseinsstörungen verbunden war. Der Ausschlusstatbestand wurde insgesamt stark verändert. Kürzere Sätze, eine klare Gliederung, die Einführung einer Definition des Begriffs Bewusstseinsstörung und Beispiele sollen einer besseren Verständlichkeit dienen.
b) Voraussetzungen des Ausschlusstatbestandes
aa) Grundsätzliches
Rz. 88
Unfälle der VP durch Bewusstseinsstörungen sowie durch Schlaganfälle, epileptische Anfälle oder andere Krampfanfälle, die den ganzen Körper der VP ergreifen, sind ausgeschlossen, d.h. eine Bewusstseinsstörung oder ein Anfall zu Beginn der Kausalkette lässt den Versicherungsschutz entfallen. Erforderlich ist, dass die Bewusstseinsstörung (bzw. der Anfall) adäquat kausal für das Unfallereignis ist, wobei Mitursächlichkeit ausreicht.
Hinweis
In der Praxis geht es vielfach schlicht um die Frage, ob die Bewusstseinsstörung (bzw. der Schlaganfall, epileptische Anfall oder der andere Krampfanfall) Auslöser oder Folge des Unfallereignisses war.
bb) Unfallursache Bewusstseinsstörungen
Rz. 89
Schlaganfälle, epileptische Anfälle oder andere Krampfanfälle, die den ganzen Körper der VP ergreifen, sind medizinisch zu bewerten und insoweit unproblematisch. Anders ist es bei der Bewusstseinsstörung. Die AUB 2020/2014 enthalten eine Definition, die sich an den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen orientiert.
Rz. 90
Per Definition liegt eine Bewusstseinsstörung vor, wenn die VP in ihrer Aufnahme- und Reaktionsfähigkeit so beeinträchtigt ist, dass sie den Anforderungen der konkreten Gefahrenlage nicht mehr gewachsen ist.
Damit wird die fallbezogene Betrachtungsweise in den Bedingungen festgeschrieben. Die Beeinträchtigung der Aufnahme- und Reaktionsfähigkeit muss so (ggf. auch weniger stark) ausgeprägt sein, dass es für die konkrete Gefahrenlage nicht mehr ausreicht. Es reicht z.B. eine Störung des Gleichgewichtsinns, die Verlängerung der Reaktionszeit oder eine Herabsetzung der Koordinationsfähigkeit aus, wenn dies im konkreten Geschehensablauf einen Unfall (mit-)verursacht.
cc) Mögliche Ursachen für Bewusstseinsstörungen
Rz. 91
Die Ursachen für eine Bewusstseinsstörung waren und sind umstritten. Ziff. 5.1 AUB 2010/2014 nennen Beispiele für Bewusstseinsstörungen.
Ursachen für die Bewusstseinsstörung können sein:
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eine gesundheitliche Beeinträchtigung, |
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die Einnahme von Medikamenten, |
▪ |
Alkoholkonsum, |
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Konsum von Drogen oder sonstigen Mitteln, die das Bewusstsein beeinträchtigen. |
Die Formulierung "Ursachen … können sein" kann man sowohl als beispielhafte, aber auch als abschließende Aufzählung verstehen, allerdings stellt das Vorwort der AUB klar, dass die Aufzählung nicht abschließend ist. So können auch andere Gründe zum Tragen kommen.
dd) Gesundheitliche Beeinträchtigung
Rz. 92
Unter gesundheitlichen Beeinträchtigungen wird man neben krankhaften Störungen auch vorübergehende Körperreaktionen (auch kurzfristige und in engerem Sinne nicht krankhafte) wie ein "schwarz-vor-Augen-Werden" verstehen müssen. Das Erfordernis einer krankhaften Genese war lange umstritten, es reichte aber jede vorübergehende Kreislaufreaktion, wenn sie die Aufnahme- und Reaktionsfähigkeit derart beeinträchtigt, dass die konkrete Gefahrenlage nicht mehr beherrscht werden kann.
Beispiele zu bisherigen AUB:
Bewusstseinsstörungen bejaht:
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Herzrhythmusstörungen, |
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Ohnmacht und Synkope, |
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schwere Schwindelanfälle, |
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Schlafapnoe (Sekundenschlaf), |
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Schwächezustand aufgrund mangelnder Gehirndurchblutung, |
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Vernichtungsschmerz nach einem Herzinfarkt, |
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Gehirntumor, |
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Ein akuter Depressionsschub kann den Ausschlusstatbestand erfüllen. |
Keine Bewusstseinsstörungen:
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Natürliche Müdigkeit – Übermüdung (Schlaftrunkenheit). |
Strittig: