a) Grundregelung
Rz. 65
Der Versicherungsschutz bei erhöhten Kraftanstrengungen gilt nicht für jeden Teil des Körpers. Erfasst sind Gelenke an Gliedmaßen und Wirbelsäule sowie Muskeln, Sehnen, Bänder oder Kapseln an Gliedmaßen und Wirbelsäule. Es wird, ohne inhaltliche Änderung zu der früheren AUB, in den AUB 2020/2014 ausdrücklich klargestellt, dass Meniskus und Bandscheiben nicht von der Unfallfiktion erfasst sind, weil es sich anatomisch weder um Muskeln, Sehnen, Bänder oder Kapseln handelt. Ein durch eine erhöhte Kraftanstrengung hervorgerufener (isolierter) Bandscheibenvorfall ist somit nicht versichert, ebenso wenig wie eine Hirnblutung nach einer Kraftanstrengung. Nicht genannt, aber ebenfalls nicht versichert, sind durch Kraftanstrengungen verursachte Knochenbrüche.
Rz. 66
Eine Verrenkung (Luxation) ist eine Gelenkverletzung mit vollständiger Diskontinuität der gelenkbildenden Knochenenden. Als Zerrung (Distorsion) bezeichnet man Faserrisse im Bandapparat. Dazu zählen auch reversible Vorgänge, die nicht zu einer Zerreißung geführt haben. Eine Zerreißung ist das Ergebnis zweier auseinanderstrebender Kräfte, die eine vollständige Trennung des betroffenen Muskels, der Sehne, des Bandes oder der Kapsel nicht erfordert und durch Drehung oder Zug entsteht.
Nicht erfasst sind z.B. ein arterieller Verschluss, eine Bauchmuskelzerrung oder ein durch übermäßige Belastung hervorgerufenes Muskelkompartment.
b) Schulterschäden
Rz. 67
Problematisch ist seit der BGH-Entscheidung vom 1.4.2015 die Einordnung der Schulter. Wichtig ist dies für die praxisrelevante Problematik der sog. Rotatorenmanschettenruptur.
Bisher wurde überwiegend die Schulter als zu den Gliedmaßen zählend angesehen. Damit waren Leistungen auch für behauptete Verletzungen an der Schulter bei einer erhöhten Kraftanstrengung grundsätzlich versichert. Denkbar ist z.B. eine Muskel- oder Sehnenverletzung bei einem Schmetterschlag im Tennis- oder Badmintonspiel.
Der BGH hat in seiner Entscheidung für die Bedingungsgenerationen mit der Formulierung "Arm" in der Gliedertaxe, wie in Ziff. 2.1.2.2.1 AUB 2020/2014, entschieden, dass die Schulter nicht zu den Körpergliedern zähle, wobei es in der Entscheidung um die Bewertung der Invalidität ging, nicht um die Frage der erhöhten Kraftanstrengung. Die Einordnung ist medizinisch und anatomisch nicht zu beanstanden, zieht aber für die Einordnung von Schulterverletzungen auf Seiten der versicherten Ereignisse auch die Konsequenz nach sich, dass die Verletzungen möglicherweise nicht mehr dem Versicherungsschutz unterliegen. Die Schulter zählt damit nicht zu den Körpergliedern, ebenso wie der Rumpf.
Viele VR haben ihr Regulierungsverhalten (zunächst) beibehalten und die herrschende Meinung weiterverfolgt. Die Fragestellung ist für die erhöhte Kraftanstrengung durch die Entscheidung des BGH aber gelöst worden, denn er hat das Verständnis des VN so ausgelegt, dass Körperteile die mit Rumpf und Gliedmaßen verbunden sind, vom Versicherungsschutz erfasst sein sollen.
Hinweis
Damit ist für Zerrungen, Zerreißungen und Verrenkungen im Bereich der Schulter der Versicherungsschutz bei erhöhten Kraftanstrengungen grundsätzlich eröffnet.