a) Grundsätzliches
Rz. 112
Unfälle, die unmittelbar oder mittelbar durch Kriegs- oder Bürgerkriegsereignisse verursacht sind, fallen nicht unter den Versicherungsschutz. Die sog. Kriegsklausel dient dazu, die sich aus dem (Bürger-)Krieg ergebenden unverhältnismäßigen, unübersehbaren und damit auch unkalkulierbaren Gefahren vom VR abzuwehren. Dieser Grundtatbestand wird um eine sog. Überraschungsklausel für Reisen eingeschränkt. Diese Ausnahme wird wiederum enumerativ begrenzt. Der bloße Grundtatbestand ist inhaltlich in den AUB stets gleich auszulegen.
b) Voraussetzungen des Ausschlusstatbestandes
Rz. 113
Der Bürger-/Kriegsbegriff ist eigenständig und (unfall-)versicherungsrechtlich zu verstehen. Kriegsereignisse im Sinne der Klausel sind nur solche Geschehen, welche als Teil einer militärischen Gesamtstrategie unmittelbar auf dem Krieg im versicherungsrechtlichen Sinne beruhen und sich einer Kriegspartei zurechnen lassen. Im Kausalverhältnis von Kriegsereignis und Unfall bedarf es am Unfallort zum Unfallzeitpunkt einer spezifischen, kriegsbedingten Risikolage. Im Falle eines nur mittelbaren Zusammenhangs zwischen Kriegsereignis und Unfall ist zudem erforderlich, dass sich die spezifische Gefahr des Kriegsereignisses im Unfall auch realisiert hat. Terrorakte von Privatpersonen oder privaten Organisationen fallen grundsätzlich nicht unter den Ausschluss.
c) Voraussetzungen der Ausnahme
Rz. 114
Als Ausnahme ist die sog. Überraschungsklausel formuliert. Danach besteht Versicherungsschutz dann, wenn die VP auf Reisen im Ausland überraschend von Kriegs- oder Bürgerkriegsereignissen betroffen wird. Der Versicherungsschutz erlischt am Ende des siebten Tages nach Beginn eines Krieges oder Bürgerkrieges auf dem Gebiet des Staates, in dem sich die VP aufhält.
Als Gegenausnahme greift die Überraschungsklausel in drei Fällen nicht ein:
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Kein Versicherungsschutz besteht damit bei Reisen in oder durch Staaten, auf deren Gebiet bereits Krieg oder Bürgerkrieg herrscht. – Reist also die VP nach Ausbruch des Krieges in das Land ein, besteht für sie kein Versicherungsschutz. |
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Die Überraschungsklausel gilt auch nicht bei aktiver Teilnahme am Krieg oder Bürgerkrieg. |
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Ebenso greift sie nicht ein bei Unfällen durch atomare, biologische und chemische Waffen. |
Rz. 115
Der Versicherungsschutz wird für die ersten sieben Tage eines Krieges oder Bürgerkrieges gewährt und erlischt erneut, wenn die VP es unterlässt, aus dem Kriegsgebiet auszureisen. Damit wird also eine objektive, den Ausschluss begründende Gefahrenlage mit einer von der positiven Kenntnis um diese objektive Sachlage abhängigen Handlung der VP verknüpft. Daraus folgt, dass die 7-Tage-Frist erst mit der Kenntnisnahme läuft.
d) Unterschiede in den Bedingungsgenerationen
Rz. 116
§ 2 II (3) AUB 94/88 und § 3 (1) AUB 61 sind materiell gleich und beinhalten als weiteren Ausschluss die Teilnahme an inneren Unruhen. Hier greift regelmäßig bereits der Ausschluss nach Ziff. 5.1.2 AUB (Straftaten).
Rz. 117
Die AUB 10/08/99 enthalten bereits die Überraschungsklausel, inhaltlich nur durch eine vierte Einschränkung abweichend von den AUB 2020/2014. Nach dem sog. Weltkriegsszenario sind auch Unfälle im Zusammenhang mit einem Krieg oder kriegsähnlichen Zustand zwischen den Ländern China, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Japan, Russland oder USA ausgeschlossen.
e) Beweisfragen
Rz. 118
Der VR ist insbesondere für die Kausalität zwischen Kriegsereignis und Unfall beweispflichtig. Für das Eingreifen der Überraschungsklausel, insbesondere wenn Kriegsbeginn und Tag der tatsächlichen Kenntnisnahme auseinanderfallen, ist der VN beweispflichtig.