Rz. 54
Die Gesundheitsschädigung muss durch das Unfallereignis entstanden sein, Ziff. 1.3 AUB. Es gilt die Adäquanztheorie. Das Unfallereignis muss im Allgemeinen und nicht nur unter besonders eigenartigen und ganz unwahrscheinlichen und nach dem regelmäßigen Verlauf der Dinge außer Betracht zu lassenden Umständen geeignet sein, die Gesundheitsschädigung herbeizuführen.
Abgestellt wird auf eine nachträgliche Prognose, wobei neben dem Wissen der VP auch alle einem optimalen Betrachter zur Zeit des Unfalls erkennbaren Gegebenheiten zu berücksichtigen sind, unter Heranziehung des gesamten zur Zeit der Beurteilung zur Verfügung stehenden Erfahrungswissens.
Ausreichend ist eine Mitursächlichkeit, wenn diese nicht gänzlich außerhalb der Wahrscheinlichkeit liegt. Waren Krankheiten, Gebrechen oder körperliche Veranlagungen für den Gesundheitsschaden mitursächlich, dann ist dies im Rahmen der Mitwirkung von Krankheiten und Gebrechen (Ziff. 3 AUB) zu berücksichtigen. Das Vorhandensein von Vorschäden für sich genommen schließt die Kausalität nicht aus.
Rz. 55
Nach verbreiteter bisheriger Meinung sollte es für die Kausalität nicht ausreichen, dass jede beliebige Ursache den Gesundheitsschaden hervorgerufen konnte, so dass es nach dieser Auffassung an einer Kausalität fehlte; vielfach wurde dafür der aus dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung stammende Begriff der "Gelegenheitsursache" verwendet. In diesen Fällen wurde eine bereits bestehende Gesundheitsschädigung lediglich vollendet oder sichtbar, im Sinne eines letzten Tropfens, der das Fass zum Überlaufen bringt.
Rz. 56
Hinweis
Die Problematik der Verwendung des Begriffs "Gelegenheitsursache" wurde vielfach kritisch gesehen, und genauer wäre auch die Bezeichnung des Problems als "Auslöseursache".
So werden in Rechtsprechung und Literatur Bedenken gegen die Verwendung der Rechtsfigur "Gelegenheitsursache" im Rahmen der privaten Unfallversicherung geäußert und auf die mögliche Verschiebung der Beweislast vom VR (beweisbelastet für die Mitwirkung von Krankheiten und Gebrechen) auf den VN (beweisbelastet für die Kausalität zwischen Ereignis und Gesundheitsschaden) hingewiesen, wenn die Frage der Auslösung eines klinisch stummen Gesundheitsschadens als nicht kausal und damit fehlendes Unfallereignis gewertet würde, anstelle es bei der Mitwirkung zu prüfen.
Rz. 57
Der BGH lehnt die Verwendung des Gedankens der Gelegenheitsursache ab. Die Bedenken des BGH sind hinsichtlich der Risiken einer Beweisverschiebung berechtigt, jedoch liegt dies nicht alleine an der Begrifflichkeit der "Gelegenheitsursache". Im Kern geht es um die Frage, ob kleinste Ursachen zur Ingangsetzung der Kausalität nach der sine-qua-non-Regel ausreichen, um die Unfallkausalität zu bejahen. Denn es entsteht der Eindruck, dass die einschränkenden Aspekte der Adäquanzlehre aus dem Blick geraten.
Für eine adäquate Kausalität muss "ein Ereignis im Allgemeinen und nicht nur unter besonders eigenartigen, ganz unwahrscheinlichen und nach dem regelmäßigen Verlauf der Dinge außer Betracht zu lassenden Umständen zur Herbeiführung eines Erfolges der eingetretenen Art geeignet sein". Dies wird man kritischer hinterfragen müssen, denn in der Regulierungspraxis werden die VR immer mehr damit konfrontiert, dass der BGH so verstanden wird, als reiche eine Kausalität nach der sine-qua-non-Regel, und dann müsse der VR sich exculpieren. Das ist nicht nur falsch, sondern auch (sicherlich) nicht vom BGH so gemeint.
Rz. 58
Das Auslösen einer tödlich verlaufenden Allergie durch den Verzehr von Schokolade hat der BGH als nicht gänzlich außerhalb der Wahrscheinlichkeit liegend gewertet, es hat ihm zur Annahme eines kausal verursachten Unfallereignisses gereicht. Dem ist zu folgen, da es auf der Hand liegt, dass eine Allergie beim Kontakt mit allergenen Stoffen auch ausgelöst wird. Zu prüfen ist dann die Frage der Mitwirkung (Ziff. 3 AUB).
Rz. 59
Anders kann man die Bewertung aber beim Aktivieren einer Arthrose sehen oder anderen bis dahin klinisch stumm verlaufenden Gesundheitsschäden. Zum einen ist unklar, wie überhaupt eine Arthrose aktiviert wird, denn es ist insgesamt unklar, ob sich eine im Körper gebildete Arthrose überhaupt jemals aus dem klinisch stummen Status in einen aktiven Statuts verändern wird. Für die Aktivierung der Arthrose hat der VN den Vollbeweis zu erbringen.
Zum anderen darf man daran anknüpfend die Frage stellen, ob es sich nicht doch um einen besonderen, eigenartigen und ganz unwahrscheinlichen Moment handelt, der die Aktivierung der Krankheit verursacht haben soll, wenn das Ereignis selber nach dem regelmäßigen Verlauf der Dinge und bei zahlreichen früheren Wiederholungen keine Aktivierung ausgelöst hat. Denn dann würden außer Betracht zu lassende Umstände zur Herbeiführung eines Erfolges vorliegen und es läge keine adäquate Kausalität vor.
Rz. 60
Hinweis
Es bleibt auch zu überdenken, ob eine Typizität einer 100 %-igen Mitwirkung von klinisch stummen Kran...