Rz. 203
Mit der Gliedertaxe werden feste Invaliditätsgrade für den Verlust oder die Funktionsfähigkeit der in der Gliedertaxe genannten Körperteile und Sinnesorgane vereinbart. Der Nachweis einer höheren oder geringeren Beeinträchtigung ist damit ausgeschlossen. Es gilt ein abstrakt generalisierender Maßstab. Eine konkrete Berücksichtigung der individuellen Verhältnisse der VP in Beruf, Erwerbsleben, Sport und Freizeit bleibt außer Betracht.
Bei Teilverlust oder teilweiser Funktionsunfähigkeit ergibt sich die Leistung aus dem entsprechenden Anteil, zu dem das Körperteil bzw. Sinnesorgan beeinträchtigt ist. Abgestellt wird auf den Wert für das gesamte Körperglied, also beim Arm auf den Armwert. Der Anteil wird als Bruchteil angegeben (z.B. 1/10 Armwert).
Rz. 204
Der Verlust oder die Beeinträchtigung eines rumpfnäheren Gliedes schließt den Verlust oder die Beeinträchtigung des rumpfferneren Gliedes ein.
Beispiel
Beim Verlust einer Hand geht der Verlust der Finger in dem höheren Invaliditätsgrad der Hand mit auf.
Die Beeinträchtigung eines Fingers bedeutet aber umgekehrt nicht automatisch auch eine Teilfunktionsunfähigkeit der Hand. Mit abgegolten ist die über das rumpffernere Körperglied hinaus strahlende Beeinträchtigung des rumpfnäheren Körpergliedes, wie z.B. bei einer Fingergelenksversteifung der mangelnde Faustschluss.
Hinweis
Sind der rechte Oberarm und ein Finger der rechten Hand geschädigt, dann ist die Invalidität in einem Wert, hier Armwert, auszudrücken. Es wäre falsch einen Arm- und eine Fingerwert anzugeben.
Rz. 205
Der BGH stellt für den (Teil-)Verlust oder die (teilweise) Funktionsunfähigkeit der in der Gliedertaxe genannten Gliedmaßen auf den Sitz der unfallbedingten Schädigung ab. Ob damit der Sitz der primären Verletzung, also der Erstkörperschädigung (ursprüngliche Unfallverletzung), gemeint sei, oder der Sitz der Auswirkung (Sitz der Funktionsbeeinträchtigung) wurde unterschiedlich interpretiert.
Mit seiner Entscheidung vom 1.4.2015 stellt der BGH am Beispiel der dort zu entscheidenden Schulterverletzung klar auf den Sitz der Verletzung ab und damit im konkreten Fall auf die Beeinträchtigung der (isoliert zu betrachtenden) Schulter, nicht aber auf die Auswirkung am Arm. Diese Ansicht ist insbesondere dann problematisch, wenn z.B. eine Nervenschädigung an der Wirbelsäule zu einer Beeinträchtigung einer Extremität führt. Hier wird in der Praxis nach dem Gliedertaxewert abgerechnet, nicht nach dem Wert außerhalb der Gliedertaxe, da der Sitz der Nervenschädigung an der Wirbelsäule selbst gar keine funktionelle Beeinträchtigung hervorruft.
Richtigerweise ist auf den Sitz der Wirkung abzustellen, also auf den Sitz der Funktionsbeeinträchtigung.