Rz. 205

Die Neubemessung des Invaliditätsgrads findet sich bei den Regelungen zur Fälligkeit der Leistung. Die Stellung ergibt sich aus dem Sinn der Neufeststellung, die zwischen Erstfeststellung und dem letzten Zeitpunkt der Geltendmachung des Neubemessungsanspruchs (drei Jahre) eingetretenen, gesundheitlichen Veränderungen zu berücksichtigen.

In der Praxis wird die Neufeststellung auch als außergerichtliches Mittel der Konfliktlösung verwendet. Die Neubemessung bietet eine elegante Möglichkeit, das Ergebnis qualitativ fragwürdiger oder nicht zum Konsens zwischen VN und VR führender Gutachten überprüfen zu lassen. Der Wortlaut der Regelung steht dieser Vorgehensweise nicht entgegen.

 

Rz. 206

Mit dem Verlangen einer Neubemessung entfällt die Fälligkeit der Leistung bis zur erneuten Feststellung der Invalidität. Der VR hat sich erneut zu erklären, § 187 VVG. Der VN und der VR sind an die letzte vorgenommene Bemessung gebunden und können sich nicht die jeweils günstigste aussuchen.[356] Ein Spekulationsschutz besteht nicht,[357] gleichgültig, wer die Neubemessung verlangt hat.

Ziff. 9.4 AUB 2014 enthält eine Ausübungsfrist für die Geltendmachung des Rechts auf Neubemessung von drei Jahren; für Kinder wird meist ein längerer Zeitraum vereinbart. Wie bei der Erstbemessung ist entsprechend der neu eingeführten Regelung der Ziff. 2.1.2.2 letzter Satz AUB 2014 auch bei der Neubemessung hinsichtlich der gesundheitlichen Tatsachen auf den Zeitpunkt von drei Jahren nach dem Unfall abzustellen.[358]

Es gibt drei mögliche Ergebnisse einer Neubemessung. Bei gleichem Invaliditätsgrad wie bei der Erstbemessung wird keine weitere Zahlung fällig. Ergibt sich ein höherer Invaliditätsgrad, so hat der VR den Differenzbetrag zu zahlen. Dieser Betrag ist für den Zeitraum der ersten Zahlung bis zur Neubemessung zu verzinsen, Ziff. 9.4 letzter Satz AUB 2014. Ergibt sich ein geringerer Invaliditätsgrad, so hat der VR einen entsprechenden Rückforderungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung.[359]

[356] Grimm, Ziff. 9 Rn 21.
[357] Bruck/Möller-Leverenz, § 188 Rn 34.
[358] Zur Problematik bei anderen Bedingungswerken vgl. Naumann/Brinkmann, VersR 2013, 674.

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