I. Einleitung
Rz. 84
In den Ausschlüssen werden Risikobegrenzungen vorgenommen, bestimmte Risiken sind damit generell vom Versicherungsschutz nicht erfasst. Die sog. Wiedereinschlüsse stellen Ausnahmen von der Risikobegrenzung dar und werden ab den AUB 2014 auch als Ausnahme bezeichnet und besonders hervorgehoben. Ebenfalls ab den AUB 2014 werden Beispiele bei einigen Ausschlusstatbeständen verwendet.
Die AUB 2020/2014 teilen die Ausschlüsse in sog. Gefahrumstandsklauseln und Klauseln, die bestimmte Gesundheitsschäden ausschließen. Gefahrumstandsklauseln (Ziff. 5.1) schließen den Versicherungsschutz nach bestimmten äußeren Gefahren (Risiken) aus. Klauseln, die Gesundheitsschäden ausschließen (Ziff. 5.2), stellen dagegen auf das Ergebnis des Unfallereignisses ab, also auf die konkrete Verletzung oder den Gesundheitszustand.
Die Ausschlussklauseln dürfen nicht weiter ausgelegt werden, als es ihr Sinn unter Beachtung ihres wirtschaftlichen Zwecks und der gewählten Ausdrucksweise erfordert unter Berücksichtigung des Verständnisses eines durchschnittlichen VN ohne versicherungsrechtliche Sonderkenntnisse. Unerheblich ist dabei, ob der VN Kenntnis vom Ausschlusstatbestand hat oder er die zum Ausschluss führenden Umstände zu vertreten hat.
Rz. 85
Leistungsausschlüsse sind von Amts wegen zu berücksichtigen. Beim Beweismaßstab ist auf § 286 ZPO abzustellen.
Hinweis
Der VR ist für das Vorliegen der Ausschlussgründe grundsätzlich beweispflichtig. Für die Ausnahmen vom Ausschlusstatbestand (Wiedereinschluss), bei deren Vorliegen der Ausschlussgrund entfällt, trägt der VN die Beweislast.
II. Ausgeschlossene Risiken (Ziff. 5.1)
Rz. 86
Mit Ziff. 5.1 AUB werden vom Versicherungsschutz solche Gefahren ausgeschlossen, die für den VR ein nicht kalkulierbares Kumulrisiko bedeuten (Krieg- und Bürgerkrieg, Kernenergie) oder das individuellen Risiko der VP dabei über das Risiko im Rahmen einer allgemeinen Unfallversicherung hinausgeht (Geistes- bzw. Bewusstseinsstörung, Ausführung einer Straftat, Luftfahrt, Fahrtveranstaltung). Viele dieser Risiken lassen sich aber mit besonderen Unfallversicherungen (z.B. Strahlenunfallversicherung) oder Sondervereinbarungen (gegen Preisaufschlag) grundsätzlich absichern.
1. Bewusstseinsstörungen (Ziff. 5.1.1)
a) Grundsätzliches
Rz. 87
Der Ausschlusstatbestand der Bewusstseinsstörung ist der praktisch relevanteste Risikoausschluss, insbesondere wegen alkoholbedingter Bewusstseinsstörungen im Straßenverkehr. Der Ausschluss erfasst solche Risiken, die über das normale Unfallrisiko hinausgehen, weil die VP bei den genannten Zuständen nicht in der Lage ist, eine drohende Unfallgefahr klar zu erkennen oder überhaupt wahrzunehmen und sich zwecks Vermeidung des Unfalls entsprechend richtig zu verhalten.
Ab den AUB 2014 entfällt der Ausschluss der Geistesstörung, der bisher mit den Bewusstseinsstörungen verbunden war. Der Ausschlusstatbestand wurde insgesamt stark verändert. Kürzere Sätze, eine klare Gliederung, die Einführung einer Definition des Begriffs Bewusstseinsstörung und Beispiele sollen einer besseren Verständlichkeit dienen.
b) Voraussetzungen des Ausschlusstatbestandes
aa) Grundsätzliches
Rz. 88
Unfälle der VP durch Bewusstseinsstörungen sowie durch Schlaganfälle, epileptische Anfälle oder andere Krampfanfälle, die den ganzen Körper der VP ergreifen, sind ausgeschlossen, d.h. eine Bewusstseinsstörung oder ein Anfall zu Beginn der Kausalkette lässt den Versicherungsschutz entfallen. Erforderlich ist, dass die Bewusstseinsstörung (bzw. der Anfall) adäquat kausal für das Unfallereignis ist, wobei Mitursächlichkeit ausreicht.
Hinweis
In der Praxis geht es vielfach schlicht um die Frage, ob die Bewusstseinsstörung (bzw. der Schlaganfall, epileptische Anfall oder der andere Krampfanfall) Auslöser oder Folge des Unfallereignisses war.
bb) Unfallursache Bewusstseinsstörungen
Rz. 89
Schlaganfälle, epileptische Anfälle oder andere Krampfanfälle, die den ganzen Körper der VP ergreifen, sind medizinisch zu bewerten und insoweit unproblematisch. Anders ist es bei der Bewusstseinsstörung. Die AUB 2020/2014 enthalten eine Definition, die sich an den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen orientiert.
Rz. 90
Per Definition liegt eine Bewusstseinsstörung vor, wenn die VP in ihrer Aufnahme- und Reaktionsfähigkeit so beeinträchtigt ist, dass sie den Anforderungen der konkreten Gefahrenlage nicht mehr gewachsen ist.
Damit wird die fallbezogene Betrachtungsweise in den Bedingungen festgeschrieben. Die Beeinträchtigung der Aufnahme- und Reaktionsfähigkeit muss so (ggf. auch weniger stark) ausgeprägt sein, dass es für die konkrete Gefahrenlage nicht mehr ausreicht. Es reicht z.B. eine Störung des Gleichgewichtsinns, die Verlängerung der Reaktionszeit oder eine Herabsetzung der Koordinationsfähigkeit aus, wenn dies im konkreten Geschehensablauf einen Unfall (mi...