1. Grundsätzliches
Rz. 13
Ein Unfall liegt vor, wenn die VP durch ein plötzlich von außen auf seinen Körper wirkendes Ereignis (Unfallereignis) unfreiwillig eine Gesundheitsschädigung erleidet. Diese Regelung zieht sich durch alle Bedingungsgenerationen (Ziff. 1.3 AUB 10/08/99, § 1 III AUB 94/88), nur in § 2 I AUB 61 fehlt der Klammerzusatz, was jedoch inhaltlich keine Auswirkungen hat.
In den AUB 2014 wurde die Gliederung der Ziff. 1.3 neu gestaltet. Dadurch wird hervorgehoben, dass sich die Unfreiwilligkeit auf die Gesundheitsschädigung bezieht, was aber bereits in den früheren Bedingungswerken galt.
Hinweis
Der Unfallbegriff setzt sich zusammen aus den Elementen:
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Unfallereignis (Plötzlich; Einwirkung von außen, Ereignis) |
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Unfreiwillige Gesundheitsschädigung |
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Adäquate Kausalität (zwischen Ereignis und Gesundheitsschaden). |
2. Unfallereignis
a) Plötzlichkeit
Rz. 14
Das Ereignis muss plötzlich eingetreten sein. In Rechtsprechung und Literatur hat sich bisher keine einheitliche Interpretation des Merkmals der Plötzlichkeit durchgesetzt.
Rz. 15
Der Begriff "Plötzlichkeit" enthält zunächst unstreitig ein objektiv zeitliches Element des Unfallbegriffs, indem durch ihn schon nach seinem Wortsinn nur solche Ereignisse einen Unfall darstellen können, die innerhalb eines kurzen, begrenzten Zeitraumes eintreten und wirken. Das Merkmal dient daher der Abgrenzung zu nur allmählich auf den Körper wirkenden Ereignissen.
Rz. 16
Zu beachten ist, dass das Ereignis selbst – und nicht die Gesundheitsschädigung als Folge – innerhalb einer kurzen Zeit eingetreten sein muss. So kann z.B. die Plötzlichkeit eines am Abend erfolgten Ereignisses nicht verneint werden, weil die Gesundheitsschädigung hierdurch erst am nächsten Morgen eingetreten ist. Die Gesundheitsbeschädigung muss zwar adäquat kausal auf die Einwirkung zurückzuführen, nicht aber zeitlich unmittelbare Folge der plötzlichen Einwirkung sein. Andererseits lässt das plötzliche Auftreten eines Gesundheitsschadens keinen Rückschluss auf die Plötzlichkeit des Ereignisses zu.
Rz. 17
In welchem Zeitraum ein Ereignis noch "plötzlich" oder schon "allmählich" auf den Körper wirkt, lässt sich nicht abstrakt festlegen, sondern nur anhand des Einzelfalles entscheiden. Als kurz sind in der Rechtsprechung Zeiträume von mehreren Minuten bis zu zwei Stunden angesehen worden. Richtigerweise wird man aber annehmen müssen, dass schon ein Zeitraum von mehreren Minuten nicht mehr im rein objektiven Sinne als kurz bezeichnet werden kann. Bei Überschreiten dieses Zeitraums kann allerdings die subjektive Komponente des Begriffs der Plötzlichkeit zum Tragen kommen.
Rz. 18
Die sprachliche Bedeutung des Wortes "plötzlich" umfasst das subjektive Moment des Überraschenden und Unerwarteten. Der BGH hat dies berücksichtigt und den Versicherungsschutz auf solche Ereignisse erstreckt, die zwar nicht innerhalb eines kurzen Zeitraums eingetreten sind, deren Eintritt für den Betroffenen aber unerwartet war. Die subjektive Komponente des Begriffs der Plötzlichkeit soll also nicht etwa vorhergesehene Ereignisse, die sich innerhalb eines kurzen Zeitraums verwirklichen, aus dem Begriff des Plötzlichen ausschließen. Der Gesichtspunkt des Überraschenden bzw. Nichtvorhergesehenen kommt in der Rechtsprechung zugunsten der VP vornehmlich in den Konstellationen zum Tragen, in denen der VP wegen eines für sie unerwarteten und unvorhergesehenen Ereignisses die Handlungs- und Steuerungsfähigkeit genommen wird und sie dadurch einer allmählichen Einwirkung ausgesetzt wird, die für sie unentrinnbar ist.
Rz. 19
Hinweis
Wenn sich das objektive Geschehen innerhalb eines kurzen Zeitraums verwirklicht hat (die zeitliche Komponente also gegeben ist), ist das Geschehen stets "plötzlich" im Sinne des Unfallbegriffs. Es muss also nicht noch (kumulativ) die subjektive Komponente des Unerwarteten oder Unerkennbaren hinzutreten. Liegt ein objektiv plötzliches Geschehen vor, kommt es daher auf die Erwartungen und Vorstellungen des Betroffenen an dieser Stelle nicht mehr an.
Umgekehrt kann das subjektive Element den Versicherungsschutz nicht in der Art erweitern, dass bei dessen Vorliegen das objektiv zeitliche Merkmal keine Bedeutung mehr hätte. Insbesondere durch langjährige Tätigkeiten erworbene Berufs- und Gewerbekrankheiten entstehen nicht plötzlich im Sinne des Unfallbegriffs.
Rz. 20
Bei Ausübung von Sportarten mit hohem Gefährdungspotenzial bzw. sonstiger schadengeneigter Tätigkeiten wird häufig das subjektive Element des Plötzlichkeitsbegriffes bemüht, um den Versicherungsschutz zu versagen. Dies geschieht meist mit dem Argument, dass den Betroffenen das Ereignis mit Kenntnis der konkreten Gefahrumstände nicht unerwartet treffe. So soll es z.B. bei einem Boxschlag innerhalb eines Boxkampfes an der Plötzlichkeit fehlen, weil der Betroffene einen entsprechenden Schlag erwartet habe.
Rz. 21
Bei der Beurteilung, ob ein Ereignis für die VP unvorhergesehen und unerwartet eingetreten ist, muss richtigerweise ein objektiver Maßstab angelegt werden. Daher i...