Dr. Jörg Kraemer, Frank-Michael Goebel
Rz. 104
Der Schuldner ist mit Ausnahme der Anhörung nach § 730 ZPO am eigentlichen Klauselerteilungsverfahren nicht beteiligt und sieht sich mit der beginnenden Zwangsvollstreckung mit der vollstreckbaren Ausfertigung des Vollstreckungstitels konfrontiert. Dies ist verfassungsrechtlich unbedenklich, da die Anhörung des Schuldners geeignet ist, den Erfolg der Zwangsvollstreckung zu beeinträchtigen und seine Rechte durch die Rechtsmittel hinreichend gesichert sind. Das Anhörungsrecht des Schuldners kollidiert insoweit mit dem verfassungsrechtlichen Anspruch des Gläubigers aus Art. 14, 19 Abs. 4 GG auf eine effektive Zwangsvollstreckung. Da die Anhörung im Rechtsmittelverfahren nachgeholt werden kann, die vereitelte Zwangsvollstreckung aber regelmäßig irreparabel ist, kann der Ausgleich der kollidierenden Rechte auf diese Weise gesucht werden.
Rz. 105
Die Klauselerinnerung tritt als speziellerer Rechtsbehelf gegen die erteilte Klausel an die Stelle der sofortigen Beschwerde nach §§ 567 ff. ZPO bzw. der Erinnerung nach § 766 ZPO, was in dem Ziel begründet liegt, dass das Prozessgericht, dessen Urkundsbeamter oder Rechtspfleger die Klausel erteilt hat, über diesbezügliche Einwendungen entscheiden zu lassen. Dabei ist es unerheblich, ob die Klausel durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle, den Rechtspfleger oder den Notar erteilt wurde. Wesentlich ist nur, dass die Klausel bereits erteilt wurde; vorher ist die Erinnerung unstatthaft. Ist dagegen die Klausel erteilt, ist – mit Ausnahme des sich aus der Natur der Sache ergebenden Einwandes der Unbestimmtheit – das Vollstreckungsorgan daran gebunden, sodass bei der Vollstreckung aufgrund einer fehlerhaften Klausel kein Verfahrensfehler vorliegt, der mit § 766 ZPO verfolgt werden könnte. Auch in diesem Fall muss dann nach §§ 732, 768 ZPO vorgegangen werden.
Rz. 106
Tipp
Hat der Gläubiger einen Antrag auf Erteilung der Klausel angekündigt oder steht der Antrag sonst unmittelbar bevor, kann sich der Schuldner allerdings mit einer Schutzschrift an das zuständige Klauselerteilungsorgan wenden. Dieses hat die Einwendungen dann nach § 730 ZPO zu berücksichtigen.
Rz. 107
Die Klauselerinnerung ist dabei statthaft, wenn der Schuldner entweder formelle Einwendungen geltend macht, d.h. Fehler im Klauselerteilungsverfahren selbst rügt, oder die materiellen Voraussetzungen für die Erteilung der titelergänzenden Klausel nach § 726 Abs. 1 ZPO oder der titelübertragenden Klauseln nach §§ 727 bis 729 ZPO bestreitet.
Rz. 108
Hinweis
Die materiellen Einwendungen gegen die Erteilung der Vollstreckungsklausel dürfen nicht verwechselt werden mit den materiellen Einwendungen gegen den der Zwangsvollstreckung zugrunde liegenden Anspruch. Letztere Einwendungen sind vielmehr mit der Vollstreckungsgegenklage geltend zu machen und im Verfahren nach § 732 ZPO unzulässig. Der materielle Einwand muss sich also explizit gegen eine Voraussetzung der Klauselerteilung richten.
Rz. 109
Checkliste der statthaften Einwendungen:
Gerügter Fehler |
Einwendung |
Vollstreckbarer Titel fehlt |
Formelle Einwendung |
Es handelt sich nicht um einen nach der ZPO vollstreckbaren Titel |
Formelle Einwendung |
Die notarielle Urkunde nach § 794 Abs. 1 Nr. 4 ZPO wurde nicht wirksam errichtet |
Formelle Einwendung |
Es fehle die wirksame Vollmacht zur Erklärung der Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung |
Formelle Einwendung |
Die vor dem 1.1.1999 errichtete notarielle Urkunde nach § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO betrifft keine bestimmte Geldsumme |
Formelle Einwendung |
Der Prozessvergleich ist wegen einer unzureichenden Protokollierung nicht als wirksamer Titel nach § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO entstanden |
Formelle Einwendung |
Urteil ist weder rechtskräftig noch vorläufig vollstreckbar |
Formelle Einwendung |
Der Titel enthält keinen vollstreckungsfähigen Inhalt |
Formelle Einwendung |
Es wurde kein Antrag auf Erteilung der Klausel gestellt |
Formelle Einwendung |
Die Klausel wurde demjenigen erteilt, dem zwar nach dem Tenor der Anspruch letztlich zusteht, der aber nicht der im Titel genannte Gläubiger ist |
Formelle Einwendung |
Der Nachweis der Bedingung nach § 726 Abs. 1 ZPO ist nicht durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunde geführt worden |
Formelle Einwendung |
Der Nachweis der Rechtsnachfolge im Sinne von §§ 727 bis 729 ZPO ist nicht durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunde geführt worden |
Formelle Einwendung |
Unzutreffenderweise ist der Rechtspfleger davon ausgegangen, dass der Schuldner den Eintritt der Bedingung oder die Rechtsnachfolge in der Anhörung nach § 730 ZPO zugestanden hat |
Formelle Einwendung |
Die bei Erteilung der qualifizierten Klausel angenommenen Tatsachen liegen nicht vor Beispiel: Die vorgelegte Urkunde ist nichtig, weil der Aussteller geschäftsunfähig war. |
Materielle Einwendung |
Die qualifizierte Klausel wurde durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle als unzuständiges Organ erteilt |
Formelle Einwendung |
Nichterkennbarkeit des Gläubigers |
Formelle Einw... |