Dr. Jörg Kraemer, Frank-Michael Goebel
Rz. 187
Einwendungen und Erinnerungen, die die Art und Weise der Zwangsvollstreckung durch den Gerichtsvollzieher betreffen, d.h. alle Rügen wegen Verfahrensverstößen, können mit der Erinnerung nach § 766 ZPO geltend gemacht werden, soweit es sich nicht um Entscheidungen in der Zwangsvollstreckung handelt. Das Gleiche gilt nach § 766 Abs. 2 ZPO, wenn der Gerichtsvollzieher die Ausführung eines Vollstreckungsantrages verweigert oder wenn die angesetzten Kosten beanstandet werden.
Rz. 188
Die Erinnerung ist also gegen Maßnahmen des Gerichtsvollziehers statthaft:
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nach § 766 Abs. 1 ZPO, wenn der Gerichtsvollzieher die das Verfahren betreffenden Normen nicht beachtet und einhält, |
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nach § 766 Abs. 2 ZPO, wenn der Gerichtsvollzieher sich weigert einen Vollstreckungsauftrag auszuführen, was auch in einer Nichterledigung des Auftrages liegen kann, HinweisHierunter fällt auch die Konstellation, dass der Gerichtsvollzieher die Bearbeitung eines Zwangsvollstreckungsauftrages in sachlich nicht gerechtfertigter Weise verzögert. Er ist dann auf die Erinnerung des Gläubigers anzuweisen, den Vollstreckungsauftrag innerhalb einer vom Gericht gesetzten Frist auszuführen. Dabei ist zu sehen, dass der Gerichtsvollzieher nach § 5 Abs. 1 S. 2 GVGA verpflichtet ist, den Grund für die verzögerte Bearbeitung zu dokumentieren, wenn die Vollstreckung nicht binnen Monatsfrist erfolgt. |
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nach § 766 Abs. 2 ZPO, wenn die vom Gerichtsvollzieher angesetzten Kosten beanstandet werden. |
Rz. 189
Hinweis
Gegen die Weigerung eines Gerichtsvollziehers, eine titelumschreibende vollstreckbare Ausfertigung mit Nachweisurkunde zuzustellen, findet dagegen nicht die Erinnerung nach § 766 ZPO, sondern der Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 23 EGGVG statt.
Rz. 190
§ 766 ZPO betrifft aber nur Maßnahmen des Gerichtsvollziehers in der Zwangsvollstreckung. Wird er aus anderem Anlass etwa zu einer privaten Versteigerung oder einem freihändigen Verkauf beauftragt, sind die Rechtsbehelfe der Zwangsvollstreckung nicht einschlägig. Hier ist ggf. auch nach § 23 EGGVG vorzugehen.
Rz. 191
Ist die Vollstreckungshandlung von einem Rechtspfleger oder einem Richter zu verantworten, ist zu unterscheiden. Liegt eine Vollstreckungsmaßnahme vor, so sind die Einwendungen mit der Erinnerung nach § 766 ZPO zu verfolgen. Liegt dagegen eine Entscheidung in der Zwangsvollstreckung vor, so ist hiergegen die sofortige Beschwerde nach § 793 ZPO gegeben.
Rz. 192
Eine Vollstreckungsmaßnahme eines Richters oder Rechtspflegers liegt immer dann vor, wenn dieser ohne beiderseitige Anhörung einem Antrag stattgibt, beispielsweise, wenn der Rechtspfleger einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss entsprechend § 834 ZPO ohne Anhörung des Schuldners erlässt. Eine Entscheidung in der Zwangsvollstreckung liegt dagegen vor, wenn der Rechtspfleger oder der Richter den jeweiligen Antragsgegner anhört oder aber einen Antrag ohne Anhörung zurückweist. Dies ist etwa dann der Fall, wenn ein Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses zurückgewiesen wird, oder ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss nach § 850b Abs. 3 ZPO erst nach beiderseitiger Anhörung bei bedingt pfändbaren Bezügen aus Billigkeitsgründen erlassen wird. Für die Abgrenzung ist dabei das tatsächliche Verfahren entscheidend, nicht die rechtlichen Vorgaben.
Rz. 193
Beispiel
Hat also der Rechtspfleger entgegen § 834 ZPO den Schuldner vor Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses angehört, so liegt rein tatsächlich eine Entscheidung vor, sodass abweichend vom Normalfall nicht die Erinnerung nach § 766 ZPO statthaft ist, sondern die sofortige Beschwerde nach § 793 ZPO.
Rz. 194
Hinweis
In der Mobiliarvollstreckung ist gegen Vollstreckungsakte, insbesondere auch Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse, zwar grundsätzlich die Erinnerung gemäß § 766 ZPO gegeben. Hat die angegriffene Maßnahme etwa in Form einer Änderung eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses für Arbeitslohn wegen Unterhaltsrückständen hinsichtlich des pfändbaren Betrages jedoch Entscheidungscharakter, weil dem Gläubiger Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wurde, ist nur die sofortige Beschwerde statthaft. Dies gilt auch für die Geltendmachung der Einwendungen des § 89 Abs. 1 und Abs. 2 InsO.
Rz. 195
Diese Unterscheidung nach dem tatsächlichen Geschehen kann für Gläubiger und Schuldner sowie am weiteren Verfahren beteiligte Dritte je nach Fallkonstellation zu unterschiedlichen Rechtsmitteln bei ein und derselben Vollstreckungshandlung führen. Der Bevollmächtigte wird das einschlägige Rechtsmittel wegen der unterschiedlichen Fristanforderungen stets sehr sorgfältig prüfen müssen. Dies gilt vor allem vor dem Hintergrund, dass die Erinnerung nach § 766 ZPO grundsätzlich unbefristet eingelegt werden kann, während die sofortige Beschwerde nur innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen möglich ist.
Rz. 196
Achtung
Handelt der Rechtspfleger als Grundbuchamt bei der Eintragung der Zwangssicherungshypothek nach §§ 867, 868 ZPO b...