Dr. Jörg Kraemer, Frank-Michael Goebel
Rz. 346
Im Wege der Vollstreckungsgegenklage kann der Schuldner als Kläger nur Einwendungen des materiellen Rechts erheben, die den im Vollstreckungstitel verbrieften Anspruch zu Fall bringen. Rechtshindernde Einwendungen scheiden damit aus, sodass der Kläger rechtsvernichtende oder rechtshemmende Einwendungen erheben muss. Die Einwendungen dürfen dabei nicht nach § 767 Abs. 2 ZPO präkludiert sein, soweit dieser zur Anwendung kommt.
Rz. 347
Checkliste: Materiell-rechtliche Einwendungen bei der Vollstreckungsgegenklage
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Abschluss eines den Vollstreckungstitel überholenden Vergleiches |
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Abtretung, unzulässige isolierte Vollstreckungsstandschaft, Forderungsübergang auf einen Dritten |
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Änderung der Rechtsprechung, soweit ein in die Zukunft wirkender Unterlassungstitel betroffen ist |
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Anfechtung |
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Aufrechnung HinweisMit der Vollstreckungsgegenklage kann allerdings nicht geltend gemacht werden, der Gläubiger habe die titulierte Forderung in einem anderen Rechtsstreit zur Aufrechnung gestellt, solange hier über die Aufrechnung noch nicht entschieden ist. Auch muss die Aufrechnungslage nach der Titulierung entstanden sein. |
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Anspruch aus der Betriebskostenabrechnung als Gegenanspruch zum titulierten Rückforderungsanspruch |
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Eintritt einer auflösenden Bedingung |
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Eintritt eines Enddatums Hinterlegung unter Verzicht auf das Recht der Rücknahme |
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Einwand der Restschuldbefreiung |
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Erlass |
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Fehlende Fälligkeit |
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Ganze oder teilweise Erfüllung der Vollstreckungsforderung |
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Gesetzlicher Forderungsübergang |
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Gesetzesänderung, soweit sie bereits titulierte Ansprüche erfasst oder der Titel – insbesondere auch Unterlassungstitel – auch in die Zukunft reicht |
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Nicht vom Schuldner zu vertretende Unmöglichkeit der Leistung |
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Notbedarf nach § 519 BGB |
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Pfändung durch einen Dritten und Überweisung an diesen |
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Prozessführungsbefugnis nach § 1629 Abs. 3 BGB |
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Rücknahme der Klage nach einem für vorläufig vollstreckbar erklärten Urteil |
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Rücktritt |
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Schikane |
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Sorgerecht: Erlöschen nach § 1629 Abs. 2 S. 2 BGB oder durch Entziehung des Sorgerechts oder durch Volljährigkeit des Kindes |
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Stundung |
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Unzulässige Rechtsausübung |
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Verjährung |
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Verwirkung |
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Verzicht |
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Vorsteuerabzug. Der Gläubiger sei entgegen seiner Erklärung nach § 104 Abs. 2 S. 3 ZPO zum Abzug berechtigt |
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Wandlung |
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Wegfall der Geschäftsgrundlage |
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Wegfall des Trennungsunterhaltes durch rechtskräftige Scheidung |
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Wegfall des Unterhaltsanspruches durch Feststellung der Nichtehelichkeit |
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Wegfall der ursprünglich bestehenden Berufsunfähigkeit |
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Zulässige Erfüllung durch Dritte |
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Zulässige Leistung an Erfüllung statt |
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Zurückbehaltungsrecht |
Rz. 348
Hinweis
Erhebt der Vollstreckungsschuldner eine Vollstreckungsabwehrklage mit der Begründung, der in einer notariellen Urkunde titulierte Anspruch bestehe aus materiell-rechtlichen Gründen nicht, und die Urkunde sei außerdem aus formell-rechtlichen Gründen nicht vollstreckungsfähig, kann der formell-rechtliche Einwand in dem Klageverfahren in analoger Anwendung des § 767 ZPO mitberücksichtigt werden.
Rz. 349
Unbeachtlich sind dagegen andere als die genannten Änderungen der Rechtslage oder der Rechtsprechung, soweit dies nicht ausdrücklich anders im Gesetz vorgesehen ist, da anderenfalls die Bedeutung der materiellen Rechtskraft gänzlich unterlaufen würde.
Rz. 350
Hinweis
In Fällen, in denen die weitere Zwangsvollstreckung aufgrund einer geänderten Rechtslage oder Rechtsprechung unerträglich erscheint, kann allerdings eine Leistungsklage aus § 826 BGB in Betracht kommen.
Rz. 351
Umstritten ist die Behandlung von Vollstreckungsverträgen, da es sich hierbei weder um materiell-rechtliche Vereinbarungen handelt, die eindeutig unter § 767 ZPO fallen, noch um solche, die das gesetzliche Verfahren betreffen, und deshalb nach § 766 ZPO zu berücksichtigen wären. Nach überwiegender Meinung sind zulässige vollstreckungsbeschränkende Vereinbarungen jedenfalls dann im Wege der Vollstreckungsgegenklage analog § 767 ZPO zu berücksichtigen, wenn diese in ihrem Bestand oder Inhalt umstritten sind. Insoweit ist das Klageverfahren mit der obligatorischen mündlichen Verhandlung und den vollen Beweismitteln der ZPO das richtige Rechtsmittel, um diesbezügliche Streitfragen zu klären.
Rz. 352
Der Einwand des Schuldners, die Unterwerfung der sofortigen Zwangsvollstreckung sei nicht eindeutig genug bestimmt und daher unwirksam, ist kein materiell-rechtlicher Einwand gegen den titulierten Anspruch und kann daher nicht nach § 767 Abs. 1 ZPO geltend gemacht werden.