Dr. Jörg Kraemer, Frank-Michael Goebel
Rz. 392
Es handelt sich bei der Vollstreckungsgegenklage um eine Klage, die im Erkenntnisverfahren der ZPO verhandelt wird, sodass sie der Schriftform bedarf. Insoweit gelten für die Schriftsätze die §§ 129 ff. und 253 ff. ZPO. Soweit die Klage beim Landgericht erhoben wird, unterliegt sie nach § 78 ZPO dem Anwaltszwang.
Rz. 393
Die Klage ist als prozessuale Gestaltungsklage darauf gerichtet, die Zwangsvollstreckung ganz, teilweise oder auch nur zeitweise für unzulässig zu erklären, nicht jedoch die Wirksamkeit des ursprünglichen Titels zu beseitigen. Das Bestehen der titulierten Forderung ist nicht Streitgegenstand. Entsprechend ist der Antrag zu fassen.
Rz. 394
Hinweis
Es muss insbesondere darauf geachtet werden, den Antrag zu beschränken, wenn die geltend gemachte Einwendung den Vollstreckungsanspruch nicht gänzlich zu Fall bringt, also z.B. gegen eine Vollstreckungsforderung von 10.000,00 EUR nur mit einer vom Gläubiger bestrittenen Gegenforderung in Höhe von 5.500,00 EUR aufgerechnet wurde. In diesem Fall muss der Antrag also lauten, "die Zwangsvollstreckung aus dem näher bezeichneten Titel in Höhe eines Betrages von 5.500,00 EUR für unzulässig zu erklären." Gleiches gilt, wenn
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die Zwangsvollstreckung – etwa wegen einer Vollstreckungsvereinbarung – nur für einen gewissen Zeitraum eingestellt werden soll. Formulierung: "Es wird beantragt, die Zwangsvollstreckung aus dem (…) (näher bezeichneten Titel) bis zum (…) für unzulässig zu erklären." |
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die Zwangsvollstreckung nur für den betreibenden Gläubiger oder gegen den konkreten Schuldner unzulässig ist, im Übrigen aber aus dem Titel vollstreckt werden kann. Formulierung: "Es wird beantragt, die Zwangsvollstreckung aus dem (…) (näher bezeichnetem Titel) (…) für den (…) (Gläubiger) [oder gegen den (…) (Schuldner)] für unzulässig zu erklären." |
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die Zwangsvollstreckung nur noch Zug um Zug fortgesetzt werden darf, etwa weil ein unbedingter Leistungsanspruch aus einer notariellen Urkunde wegen nachträglich entstandener Einwendungen des Schuldners, etwa Mängeleinreden, nur noch Zug um Zug zu erfüllen ist. Formulierung: "Es wird beantragt, die Zwangsvollstreckung aus dem (…) (näher bezeichnetem Titel) nur noch Zug um Zug gegen (…) für zulässig zu erklären." |
Rz. 395
Tipp
Der Antrag sollte unbedingt sorgfältig geprüft werden, weil eine unrichtige Fassung nach § 308 ZPO zu einem teilweisen Unterliegen führen kann und die den Mandanten daraus treffende (Kosten-)Folge dann unter dem Gesichtspunkt der Anwaltshaftung von dem Rechtsanwalt auszugleichen ist.
Rz. 396
Die Vollstreckungsgegenklage unterliegt keiner Frist, sondern wird zeitlich allein durch das Rechtsschutzbedürfnis begrenzt.
Rz. 397
Das Rechtsschutzbedürfnis ist nach allgemeiner Meinung jedenfalls dann gegeben, wenn die Zwangsvollstreckung ernstlich droht, und fehlt, wenn sie zweifelsfrei nicht beabsichtigt ist und die Herausgabe des Titels angeboten wurde. Von einem ernstlichen Drohen wird dabei schon dann auszugehen sein, wenn der Gläubiger dem Schuldner eine vollstreckbare Ausfertigung des Vollstreckungstitels zustellen lässt.
Rz. 398
Tipp
Hat der Gläubiger die Zwangsvollstreckung nicht konkret angedroht, hält der Gläubiger sie aber für künftig unzulässig, so sollte er den Gläubiger zur Herausgabe des Vollstreckungstitels analog § 371 BGB auffordern und widrigenfalls die Vollstreckungsgegenklage androhen. Verweigert der Gläubiger die Herausgabe, kann aus der Weigerung auf die drohende Zwangsvollstreckung geschlossen werden, wenn der Gläubiger nicht zugleich erklärt, nicht ohne vorherige rechtzeitige Ankündigung die Vollstreckung einzuleiten.
Rz. 399
Erklärt der Gläubiger im Prozess, dass er auf die Zwangsvollstreckung (teilweise) verzichte, so lässt diese Erklärung allein das Rechtsschutzbedürfnis für die Vollstreckungsgegenklage nicht entfallen.
Rz. 400
Tipp
Der Gläubiger muss in diesem Fall die Klage (in Höhe des Teilbetrages) anerkennen. Hat er dies unverzüglich getan und keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben, sind dem Schuldner als Kläger die Kosten des Verfahrens nach § 93 ZPO aufzuerlegen. Soweit der Titel auf diese Weise gänzlich erledigt wird, ist zugleich die Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung anzubieten.
Das Rechtsschutzinteresse für eine Vollstreckungsabwehrklage fehlt dagegen, wenn der Gläubiger den Gerichtsvollzieher in einem gerichtlichen Protokoll anweist, die vollstreckbare Ausfertigung des Titels an den Schuldner herauszugeben und erklärt, dass eine Zwangsvollstreckung daraus nicht beabsichtigt sei.
Rz. 401
Der BGH hat klargestellt, dass das Rechtsschutzbedürfnis schon dann gegeben ist, wenn ein Vollstreckungstitel überhaupt nur vorliegt, auch wenn die Zwangsvollstreckung nicht konkret droht oder beabsichtigt ist.
Rz. 402
Hinweis
Einer auf dieser Grundlage verfrühten Vollstreckungsgegenklage kann der Gläubiger ebenfalls mit einem sofortigen Anerkenntnis begegnen, sodass der Schuldner nach § 93 ZPO die Kosten des Verfahrens zu tragen hat. Beachtet wer...