I. Berufung (§§ 511 ff. ZPO)
Rz. 2
Das Rechtsmittel der Berufung ist gem. § 511 ZPO statthaft gegen die Endurteile erster Instanz, also gegen Urteile des Amts- und die erstinstanzlichen Urteile des Landgerichts.
1. Berufungssumme
Rz. 3
Gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO ist eine Berufung nur bei Erreichen eines bestimmten Beschwerdewertes zulässig, nämlich nur, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes, die sog. Beschwer, von 600,00 EUR übersteigt (zur Zulassungsberufung nachfolgend). Hierdurch soll unter anderem verhindert werden, dass bei wirtschaftlich nur geringfügig gewünschter Abänderung der Entscheidung erster Instanz die Berufungsinstanz eröffnet wird. Die Beschwer errechnet sich beim Kläger danach, inwieweit das Gericht erster Instanz von seinem (in der Berufung weiterverfolgten) Antrag in der Hauptsache (also ohne Nebenforderungen) nachteilig abgewichen ist, beim Beklagten nach der Verurteilungssumme in der Hauptsache (ebenfalls ohne Nebenforderungen).
Beispiel:
A hat B auf Zahlung von 2.500,00 EUR verklagt. Das Amtsgericht hat B zu 500,00 EUR verurteilt, im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.
Die Beschwer des A, der das Urteil insgesamt mit der Berufung anfechten möchte, beträgt 2.000,00 EUR: 2.500,00 EUR (Antrag 1. Instanz) abzüglich 500,00 EUR (Erfolg 1. Instanz). A könnte also zulässig Berufung einlegen.
Die Beschwer des B besteht demgegenüber nur in der Verurteilungshöhe von 500,00 EUR. Eine von ihm eingelegte Berufung wäre demzufolge unzulässig und würde gem. § 522 Abs. 1 S. 2 ZPO vom Berufungsgericht als unzulässig verworfen. B verbliebe zur Weiterverfolgung seines Antrags auf vollständige Klageabweisung nur die Möglichkeit einer unselbstständigen Anschlussberufung (dazu unten) an die Berufung des A.
2. Zulassungsberufung
Rz. 4
Wenn der gem. § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO erforderliche Beschwerdewert von 600,00 EUR nicht erreicht ist, kann das Gericht des ersten Rechtszugs in seinem Urteil die Berufung trotzdem gem. § 511 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. Abs. 4 ZPO zulassen, wenn
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die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder |
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die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert. |
Für die Beurteilung, ob etwas grundsätzliche Bedeutung hat, kommt es natürlich nicht auf die subjektive Betrachtungsweise der Parteien, sondern auf eine objektive Bewertung an.
Die Entscheidung des erstinstanzlichen Gerichts über die Zulassung der Berufung ist für das Berufungsgericht gem. § 511 Abs. 4 Satz 2 ZPO bindend.
3. Berufungsfrist und Berufungsschrift
Rz. 5
Die Berufung muss gem. § 517 ZPO binnen einer Notfrist (vgl. näher zur Erläuterung des Begriffs der Notfrist und zur Fristberechnung im Kapitel Fristenkontrolle) von einem Monat ab Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils eingelegt werden. Sollte das Urteil aufgrund eines Versehens einer Partei nicht zugestellt werden, beginnt die Monatsfrist spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung des Urteils. Deswegen ist zu empfehlen, sich vorsorglich für den Fall der Nichtzustellung auch eine 5 monatige Frist mit zusätzlicher Vorfrist von mindestens zwei Wochen ab der Verkündung des Urteils zu notieren und mit dem Zusatz (Urteil bereits zugestellt (?), ansonsten Fristbeginn Berufungseinlegung!) zu versehen. Die Einlegung der Berufung erfolgt gem. § 519 ZPO mittels Einreichung einer Berufungsschrift beim Berufungsgericht, also bei dem Gericht, das über die Berufung zu entscheiden hat. Die Berufungsschrift muss von einem Rechtsanwalt unterschrieben werden.
Rz. 6
Muster 1: Berufungsschrift
Muster: Berufungsschrift
Rechtsanwalt Haupt |
Hannover, den 16.5.2019 |
An das
Landgericht Hannover
Volgersweg
30175 Hannover
Berufung
In Sachen
Klaus Müller, Podbielskistr. 50, 30177 Hannover
– Kläger, Berufungskläger –
Prozessbevollmächtigter: RA Haupt, Lessingstr. 10, 30123 Hannover gegen
Franz Schmidt, Leipziger Straße 94, 30324 Hannover
– Beklagter und Berufungsbeklagter –
Prozessbevollmächtigte: 1. Instanz: RAe Kunze & Partner, Marienstr. 5, Hannover
wegen Zahlung
lege ich hiermit namens und in Vollmacht des Berufungsklägers gegen das am 6.4.2019 verkündete Urteil des Amtsgerichts Hannover – Az.: 8 C 144/18 –, zugestellt am 20.4.2019, Berufung ein.
Ich werde in der mündlichen Verhandlung folgende Anträge stellen:
1. |
Das Urteil des Amtsgerichts Hannover vom 6.4.2019 – Az.: 8 C 144/18 – wird wie folgt abgeändert: Der Beklagte wird zur Bezahlung von 4.250,00 EUR an den Kläger verurteilt. |
2. |
Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits. |
Eine Ausfertigung des angefochtenen Urteils fügen wir anbei.
Die Berufungsbegründung folgt in einem gesonderten Schriftsatz.
Beglaubigte und einfache Abschrift anbei.
Rechtsanwalt
– Anlagen –
4. Berufungsbegründung und Berufungsbegründungsfrist
Rz. 7
Falls die Berufung – wie im Regelfall – nicht sogleich mit der fristgerecht eingereichten Berufung ordnungsgemäß begründet wurde, muss dies von dem jeweiligen Berufungskläger gem. § 520 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 S. 1 ZPO innerhalb von zwei Monaten ab Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils erfolgen, spätestens aber beginnt die zweimonatige Berufungsbegründungsfrist mit Ablauf von fünf Mo...