Rz. 22

Bei der Abschnittskontrolle werden die Daten für den Zeitraum der Messung vom Einfahren bis zum Ausfahren erfasst, eine dauerhafte Speicherung erfolgt jedoch erst bei Überschreitung der zulässigen Geschwindigkeit bzw. des für die Speicherung eingestellten Grenzwertes. Rechtlich ist hier zwischen der präventiven vorgelagerten Datenspeicherung und der bei einem Verstoß nachfolgenden repressiven Datenerfassung zu unterscheiden.[1]

Bei anderen Messsystemen wird vor Inbetriebnahme des Systems ein Grenzwert eingestellt, welcher erst ab der eingegebenen Geschwindigkeitsüberschreitung die Tatfotos auslöst. Dies ist auch bei automatischer Auslösung als anlassbezogen zu werten.[2] Nachdem die Beweiskamera erst bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung auslöst – mithin also bei einem konkreten Anfangsverdacht – ist dieser Vorgang jedenfalls von § 100h StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG gedeckt.[3]

Zwar kann die Eingriffsqualität verneint werden, wenn die Daten ungezielt und allein technikbedingt zunächst miterfasst, dann aber ohne weiteren Erkenntnisgewinn, anonym und spurenlos wieder gelöscht werden.[4] Bei PoliScan SECO werden die Nichttreffer ohne weitere Auswertung sofort gelöscht. Insoweit dürfte eine anlassbezogene Datenspeicherung vorliegen, welche von § 100h StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG gedeckt ist.[5] Hingegen ist bei der hier besprochenen Section Control heikel, dass für den Zeitraum des Einfahrens bis zum Ausfahren aus dem Messbereich eine anlasslose Speicherung erfolgt und erst im Nachhinein ausselektiert wird.[6]

Die Kennzeichen sind den jeweiligen Haltern zuordenbar, wodurch jedenfalls der Schutzbereich des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung tangiert wird.[7] Die Eingriffsqualität ist von erheblichem Gewicht. Zwar sind die Kennzeichen im öffentlichen Raum für jedermann ohnehin zu sehen, der Erhebungszeitraum kurz und die Kontrolle mit vorangehender Beschilderung auch kenntlich gemacht. Die Datenerhebung umfasst aber eine Vielzahl von Personen, was die Eingriffsintensität wiederum erhöht. Eine Erhebung weiterer Daten ist hierdurch grundsätzlich ermöglicht. Zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit muss sie dem Schutz von Rechtsgütern von zumindest erheblichem Gewicht oder sonst einem vergleichbar gewichtigen öffentlichen Interesse dienen.[8] Hier erfolgt die Messung zur Überwachung eines besonders gefährlichen Straßenabschnitts, worin regelmäßig ein gewichtiges öffentliches Interesse zu sehen ist.[9]

 

Praxistipp

In der Auswahl der Messstelle wird zumindest ein Anknüpfungspunkt der Verteidigung liegen, wobei die bisherige Rechtsprechung unter Verweis auf die niedersächsische Ermächtigungsgrundlage diesbezüglich aber kein drittschützendes Auswahlermessen sehen will.[10]

Die Thematik ist gleichgelagert mit den Abstandsmessverfahren; die Argumente sind dieselben (vgl. § 19 Rdn 41 ff.). Insofern ist die Verteidigung auch hier gehalten, im Einzelfall ein besonderes Augenmerk auf die Grundrechtskonformität zu legen. Das Bundesverwaltungsgericht sieht in der offenen Erhebung und in der Verschlüsselung der Daten jedenfalls die Verhältnismäßigkeit gewahrt.[11]

 

Rz. 23

Als erstes und bislang einziges Bundesland hatte Niedersachsen an der BAB 6 südlich von Hannover eine Pilotanlage eingerichtet und im Januar 2019 in Betrieb genommen. In § 32 NPOG wurde eine entsprechende gesetzliche Grundlage für das Messverfahren geschaffen, die vom Oberverwaltungsgericht als legitim erachtet wird.[12] Das Bundesverwaltungsgericht hat die Zulässigkeit der Abschnittskontrolle bestätigt.[13] Eine hiergegen gerichtete Verfassungsbeschwerde wurde vom Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen.[14]

Auf der Innenministerkonferenz vom 10.12.2020 wurde der Sachstandsbericht des niedersächsischen Ministeriums für Inneres behandelt.[15] Der Pilotanlage an der BAB 6 wurde darin bescheinigt, den Verkehrsfluss harmonisiert und die Verkehrssicherheit erhöht zu haben. Daher bleibt die Abschnittskontrolle dort weiter im Einsatz und es sollen weitere Messabschnitte in Niedersachsen folgen. Innerhalb eines Jahres wurden ca. 260 Bußgeldverfahren eingeleitet (und rund 1.490 Verwarngelder erhoben); lediglich in 20 Fällen wurden Einsprüche verzeichnet.[16] Ob sich diese Bilanz auch außerhalb der Pandemie und an anderen Messörtlichkeiten bestätigt, bleibt abzuwarten.

 

Rz. 24

 

Praxistipp

Auch liegt nach dem aktuellen Stand die Gesetzgebungsbefugnis (bis auf weiteres) bei den Ländern.[17] Sofern nach Niedersachsen auch weitere Länder die Abschnittskontrolle einführen, ist die bisherige Rechtsprechung unter Beachtung der jeweils einschlägigen Ermächtigungsgrundlage auszuwerten.

Nach dem neu eingeführten § 163g StPO sollen ohne das Wissen der betroffenen Personen Kennzeichen erfasst werden, wenn zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine Straftat von erheblicher Bedeutung vorliegen und anzunehmen ist, dass diese Maßnahme zur Ermittlung des Aufenthaltsortes führen kann. Tatbestandlich sollen hiervon Anlasstaten im mittleren Kriminalitätsbereich erfas...

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