Dr. K. Jan Schiffer, Christoph Schürmann
Rz. 176
Stiftungen kommen für die Erbfolgegestaltung vor allem als Familienstiftungen, als gemeinnützige Stiftungen und als mildtätige Stiftungen in Betracht. Die rechtlichen Grundlagen dieser Stiftungsformen wurden oben bereits näher dargestellt. Auch treuhänderische Stiftungen können über den Treuhänder (wirtschaftlich) Erben sein. Angesichts der anhaltenden Erbschaftswelle in Deutschland erlangt die Stiftung als Erbin zunehmend an Bedeutung, vererbt doch der gemeine Staatsbürger, falls er keine natürlichen Personen als Erben hat, lieber an eine Stiftung als letztlich an den Staat.
I. Stiftungen als Erben
Rz. 177
Es gibt kein "Sondererbrecht" für Stiftungen. Auch für letztwillige Verfügungen zugunsten von Stiftungen gilt die durch Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG gewährleistete Testierfreiheit, eingeschränkt durch das Pflichtteilsrecht und (wirtschaftlich betrachtet) durch das Erbschaftsteuerrecht, wobei ggf. wegen einer Steuerbegünstigung der Stiftung die Erbschaft- und/oder Schenkungsteuer entfällt.
Rz. 178
Der Erblasser kann letztwillige Verfügungen zugunsten einer bereits bestehenden Stiftung treffen oder eine neue Stiftung von Todes wegen errichten. Letztere gilt im Rahmen der gesetzlichen Fiktion des § 80 Abs. 2 S. 2 BGB für Zuwendungen des Stifters rückwirkend als schon vor dessen Tod entstanden und kann daher ebenfalls letztwillig bedacht werden.
II. Unselbstständige Stiftung im Erbfall
Rz. 179
Unselbstständige Stiftungen können nicht selbst Erbe oder Vermächtnisnehmer sein, da sie keine juristischen Personen mit eigener Rechtspersönlichkeit sind. Erbe oder Vermächtnisnehmer wird in ihrem Fall der Treuhänder, der dann erbrechtlich per Auflage und/oder aufgrund des Treuhandvertrages verpflichtet wird oder ist, den zugewendeten Vermögenswert "für" die Stiftung zu verwenden.
Rz. 180
Erbschaftsteuerlich wird die unselbstständige Stiftung als Zweckzuwendung nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 und § 8 ErbStG behandelt. Eine Zweckzuwendung ist eine Zuwendung von Todes wegen oder eine freigebige Zuwendung unter Lebenden, die mit der Auflage verbunden ist, zugunsten eines bestimmten Zwecks verwendet zu werden, oder die von der Verwendung zugunsten eines bestimmten Zwecks abhängig ist, soweit hierdurch die Bereicherung des Erwerbers gemindert wird. Eine Zweckzuwendung ist nur gegeben, wenn die Zweckbindung zu einer Minderung der Bereicherung des Erwerbers führt.
Rz. 181
Hinweis
Eine Bereicherungsminderung fehlt, wenn die Erfüllung des Zwecks im eigenen Interesse des Beschwerten liegt (§ 10 Abs. 9 ErbStG). Daher mindert beispielsweise die Auflage an eine Stiftung, das ihr Zugesagte satzungsgemäß (!) zu verwenden, die Bereicherung nicht.
Rz. 182
Steuerschuldner bei der Zweckzuwendung ist nach § 20 Abs. 1 ErbStG der mit der Ausführung der Zuwendung Beschwerte. Der Gesetzgeber geht dabei von der Annahme aus, dass der Beschwerte den zur Zweckerfüllung aufzuwendenden Betrag um die Steuerschuld kürzen darf, was mangels anderer ausdrücklicher Anordnung, die möglich ist, im Zweifelsfall durch Auslegung der Zweckzuwendung zu entnehmen ist.
Rz. 183
§ 29 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG ("Erlöschen der Steuer wegen "Weitergabe" innerhalb von 24 Monaten an gemeinnützige Stiftung") findet entsprechend auch auf die unselbstständige Stiftung Anwendung, so dass im Ergebnis bei einer gemeinnützigen unselbstständigen Stiftung regelmäßig keine Erbschaftsteuer anfällt.
III. Erbrechtliches
1. Erbenstellung
Rz. 184
Eine Stiftung tritt als Erbin, ggf. gemeinsam mit weiteren (Mit-)Erben (Erbengemeinschaft), die Gesamtrechtsnachfolge nach dem Erblasser an und haftet damit auch für etwaige Verbindlichkeiten.
Rz. 185
Hinweis
Die Stiftung kann als Mitglied einer etwaigen Erbengemeinschaft deren Auflösung fordern (§ 2042 BGB). Um unsinnige Auseinandersetzungen und Streitereien zu vermeiden, sollte der Erblasser grundsätzlich im Wege einer Teilungsanordnung bestimmen, wer welche Nachlassgegenstände erhält.
Rz. 186
Eine letztwillige Zuwendung an eine bereits bestehende Stiftung ist eine Zustiftung, wenn der Erblasser nichts anderes verfügt (vgl. auch § 62 Abs. 3 Nr. 1 AO).
Rz. 187
Hinweis
In der Stiftungssatzung sollte vorgesehen sein, dass die Stiftung Zustiftungen annehmen darf.
Rz. 188
Eine Stiftung kann auch als Nacherbin eingesetzt werden. Grundsätzlich tritt die Nacherbfolge mit dem Tod des Vorerben ein (§ 2106 BGB).
Nicht übersehen werden darf, dass die Einsetzung eines Nacherben nach Ablauf von 30 Jahren nach dem Erbfall unwirksam wird (§ 2109 Abs. 1 S. 1 BGB). Die Nacherbschaft bleibt allerdings auch nach dem Ablauf der Frist wirksam (§ 2109 Abs. 1 S. 2 BGB), wenn
▪ |
die Nacherbfolge für den Fall angeordnet ist, dass in der Person des Vorerben oder des Nacherben ein bestimmtes Ereignis (B... |