Rz. 26

Beschrieben wird hier eine sehr typische Konstellation: Den Erblasser verbindet bereits zu Lebzeiten ein gutes Verhältnis zu seiner Stiftung. Immer, wenn es ihm finanziell machbar erscheint, wendet er der Stiftung Geldbeträge zu. Sogar die Auszahlung der Versicherungssumme aus einer Lebensversicherung sollte kraft ausdrücklicher Anweisung an die Versicherungsgesellschaft außerhalb des Nachlasses an seine Stiftung gehen. Die Erfahrung lehrt, dass gerade Erblasser, die gemeinnützig orientiert sind, sich bei der Gestaltung ihrer letztwilligen Verfügungen häufig nicht ausreichend helfen lassen. Dabei sind es nicht immer finanzielle Gründe, die die Erblasser davon abhalten, mindestens genauso oft unterliegen sie Fehlvorstellungen über ihre eigenen Kenntnisse und Fähigkeiten in Bezug auf die Testamentsgestaltung.

 

Rz. 27

Auch die Situation der Stiftung ist ein typischer Fall. Viele, gerade kleinere Stiftungen verfügen nicht über ausreichende Rechtskenntnisse, um schwierigere Nachlassfälle abzuwickeln. Hier kann der Erblasser durch Einsetzung eines entsprechend versierten Testamentsvollstreckers der Stiftung helfen, den Nachlass möglichst ungeschmälert in das Stiftungsvermögen fließen zu lassen.

 

Rz. 28

Die Psychologie eines Pflichtteilsstreits spielt eine große Rolle und führt dazu, dass Enterbung von den nächsten Angehörigen oftmals als eine Form von "postmortalem Liebesentzug" angesehen wird. Entsprechend emotional sind die Reaktionen des Pflichtteilsberechtigten. Die Stiftung hingegen betrachtet die Angelegenheit ideell und zugleich wirtschaftlich und kämpft, insbesondere im Gemeinnützigkeitsbereich, um jeden Cent. Damit prallen zwei einander diametral entgegenstehende Vorstellungen von der Verteilung des Nachlasses aufeinander. Wer es nicht gewohnt ist, sich in die Sichtweise des jeweils anderen hineinversetzen zu können, wird hier zwangsläufig scheitern. Der Pflichtteilsberechtigte wird seine Zahlungsansprüche ohne Rücksicht auf die Liquiditätssituation des Nachlasses durchsetzen und die Stiftung in Verzug setzen, um so die gesetzlichen Verzugszinsen, die sich gem. § 288 Abs. 1 BGB immerhin in Höhe von fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz bewegen, für sich zu nutzen. Er wird aber nicht nur die eigentlichen Pflichtteilsansprüche nach § 2303 Abs. 1 BGB durchsetzen, sondern auch die Pflichtteilsergänzungsansprüche nach § 2325 BGB. Mit dieser Vorschrift will der Gesetzgeber verhindern, dass die grundgesetzlich garantiere Mindestbeteiligung eines nächsten Angehörigen am Nachlass des Verstorbenen faktisch dadurch umgangen werden kann, dass ein Erblasser vor seinem Tod beliebig Vermögen verschenkt. Die Pflichtteilsberechtigten können somit auf die lebzeitigen Zuwendungen des Erblassers an die Stiftung zurückgreifen.[10]

 

Gestaltungshinweis

Lebzeitige, endgültige unentgeltliche Zuwendungen an Stiftungen in Form von Zustiftungen oder Spenden sind stets pflichtteilsergänzungspflichtige Schenkungen. Als begleitende Regelungen sind daher unbedingt Erb-/ und Pflichtteilsverzichtsverträge erforderlich.[11] Das seit dem 1.1.2010 geltende Abschmelzungsmodell im Bereich der Pflichtteilsansprüche verschafft zwar etwas, aber in vielen Fällen nicht ausreichend Linderung.

 

Rz. 29

Ferner müssen Stiftungen zur Kenntnis nehmen, dass sie von der Zivilrechtsordnung nicht privilegiert werden. Nicht nur die lebzeitigen Zuwendungen des Erblassers an die Stiftung unterliegen dem Zugriff des Pflichtteilsberechtigten, sondern auch die Zuwendungen aus der Lebensversicherung mit einem widerruflichen Bezugsrecht, Letztere mit ihrem Verkehrswert im Zeitpunkt des Erbfalls[12] (in der Regel also mit ihrem Rückkaufswert).

Dies ist auch dann der Fall, wenn die Einzahlungen seitens des Erblassers aus dessen Vermögen niedriger gewesen sein sollten.

[11] Schiffer, in: Frieser, Fachanwaltskommentar Erbrecht, § 88 Rn 14.

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