Eberhard Rott, Dr. Michael Stephan Kornau
Rz. 20
Aus der Vielzahl der Praxisbeispiele des erfolgreichen Zusammenwirkens von Testamentsvollstreckung und Stiftung seien nachfolgend einige besonders prägnante herausgestellt.
I. Kein (geeigneter) Erbe vorhanden
Rz. 21
In der Beratungspraxis ist häufig festzustellen, dass dem Erblasser die "richtigen Erben" ausgehen. Das liegt sicherlich zum Teil an den aufgebrochenen traditionellen Familienstrukturen mit der zunehmenden Tendenz zu Patchwork-Konstellationen. Ein sehr bekannt gewordenes Beispiel stellt die Familie des VW-Aufsichtsratsvorsitzenden Ferdinand Piech dar. Andere Beispiele kennt jeder Berater: verwaiste Elterngenerationen (Kinder leben beziehungslos neben ihren Eltern), neue Alterssolidaritäten (Mehrgenerationenhaus, Partnerschaften in der Phase nach einer Ehe). Eine weitere, tief liegende Sorge um die Risiken des Alterns führt zu unbedingtem Streben nach finanzieller Unabhängigkeit. Die Übergebergeneration wünscht sich bis ins hohe Alter eine möglichst konservierte Lebensqualität. Im Falle von Unternehmern wie Ferdinand Piech sind es noch weitergehende Gründe: Stabilität des Unternehmens zur Sicherung der Arbeitsplätze.
Rz. 22
Außerdem will man der viel beschäftigten nachfolgenden Generation nicht zur Last fallen und ist dafür fremden helfenden Händen dankbar, was man – nach dem Tod – wirtschaftlich kompensieren will. Eine hohe Verantwortung sehen Eltern für das schwächste Glied in der Familie (z.B. behinderte und psychisch instabile Kinder/Angehörige), welches sie sicher versorgt wissen möchten. Geschwisterlicher Streit um das Erbe soll ebenfalls schon im Vorfeld möglichst vermieden werden. Passgenaue, nicht bloß rechtssichere Regelungen führen so zum Einsatz von Testamentsvollstreckung und Stiftung in der Nachlassplanung.
Rz. 23
Im Rahmen einer umsichtigen Nachfolgegestaltung sollten sich die Beteiligten das Ziel einer lebensdienlichen Praxis vor Augen halten, weil es um ein hoch emotional belastetes und existentielles Thema geht. Die Anordnung einer Testamentsvollstreckung sollte nicht als Feld für finale Streitanweisungen über den Tod hinaus genutzt werden. Hierin wäre eher ein Institutsmissbrauch zu sehen, der langfristig der Testamentsvollstreckung Schaden zufügen würde – und möglicherweise auch der Stiftung. Vielmehr sollten die segensreichen Wirkungen der Testamentsvollstreckung gestaltungsprägend sein und sich wechselseitig ergänzen.
Rz. 24
Bei komplizierten Familien- und Vermögensverhältnissen hat sich die "Testamentsvollstreckung vor der Vollstreckung" als hilfreich erwiesen. Unter Führung des (designierten) Testamentsvollstreckers kann schon in der Planungsphase bspw. eine Familienkonferenz einberufen werden. Alle Beteiligten, die abgebende und die empfangende Generation zusammen mit den Fachvertretern (Recht-, Steuer- und Finanzberater) können hier ihre Interessen formulieren und gemeinsam eine Lösung entwickeln. Mit dieser aus der Mediation entwickelten Methode einer "corporative practice" verfügen die Beteiligten über eine praktikable Möglichkeit außergerichtlicher Konfliktlösungen im Vorfeld des Todesfalls. Das teilweise natürlich zeitintensive und biographisch aufgeladene Konferenzmodell gibt – vergleichbar mit einer guten medizinischen Diagnostik – eine solide Basis für eine konsistente Therapie – sprich eine gute Umsetzungsplanung für den Erbfall.
Hiervon profitiert erst recht die Stiftung. Das später an Rechtsverfolgungs- und Sachverständigenkosten gesparte Geld mehrt ihr Stiftungsvermögen.
II. Pflichtteilsstreit
1. Sachverhalt
Rz. 25
Der Erblasser setzt eine kleinere gemeinnützige Stiftung zum Erben seines gesamten Vermögens ein. In den letzten Jahren vor seinem Tod hat er der Stiftung bereits erhebliche Geldbeträge unentgeltlich zugewandt. Der einzige Abkömmling des Erblassers macht seine Pflichtteilsansprüche i.H.v. 50 % des Nachlasses gegen die Stiftung geltend.
2. Problembeschreibung
Rz. 26
Beschrieben wird hier eine sehr typische Konstellation: Den Erblasser verbindet bereits zu Lebzeiten ein gutes Verhältnis zu seiner Stiftung. Immer, wenn es ihm finanziell machbar erscheint, wendet er der Stiftung Geldbeträge zu. Sogar die Auszahlung der Versicherungssumme aus einer Lebensversicherung sollte kraft ausdrücklicher Anweisung an die Versicherungsgesellschaft außerhalb des Nachlasses an seine Stiftung gehen. Die Erfahrung lehrt, dass gerade Erblasser, die gemeinnützig orientiert sind, sich bei der Gestaltung ihrer letztwilligen Verfügungen häufig nicht ausreichend helfen lassen. Dabei sind es nicht immer finanzielle Gründe, die die Erblasser davon abhalten, mindestens genauso oft unterliegen sie Fehlvorstellungen über ihre eigenen Kenntnisse und Fähigkeiten in Bezug auf die Testamentsgestaltung.
Rz. 27
Auch die Situation der Stiftung ist ein typischer Fall. Viele, gerade kleinere Stiftungen verfügen nicht über ausreichende Rechtskenntnisse, um schwierigere Nachlassfälle abzuwickeln. Hier kann der Erblasser durch Einsetzung eines entsprechend versierten Testamentsvollstreckers der Stiftung helfen, den Nachlass möglichst ungeschmälert in das Stiftungsvermögen fließen zu lasse...