Eberhard Rott, Dr. Michael Stephan Kornau
A. Verzahnung von Testamentsvollstreckung und Stiftungsverantwortlichkeit
Rz. 1
Der BGH und das Rechtdienstleistungsgesetz haben zweierlei bewirkt: Zum einen wurde die Testamentsvollstreckung als Geschäftsfeld für jedermann eröffnet, zum anderen aber auch den Testamentsvollstreckern ihre Grenzen aufgezeigt. So verpflichtet der BGH Testamentsvollstrecker ausdrücklich dazu, rechtzeitig Rechtsrat einzuholen, wenn es die konkrete Situation erfordert. Die Kenntnis der Grundstrukturen der Testamentsvollstreckung gehört daher zum Basiswissen eines jeden Stiftungsverantwortlichen. Ebenso wichtig ist es jedoch, wechselseitig Verständnis zu entwickeln zwischen den Stiftungsverantwortlichen, die sich einem Testamentsvollstrecker gegenübersehen, und den Testamentsvollstreckern, die – oft unversehens – vor die Aufgabe gestellt werden, mit Stiftungen umgehen oder diese gar gründen zu müssen.
B. Spannungsverhältnis Erbe – Stiftung – Testamentsvollstreckung
Rz. 2
Das System der privaten Vermögensvererbung ist tief im Bewusstsein der Bevölkerung verankert. Es fördert die Kapitalbildung, festigt die Struktur der Gesellschaft und spielt eine wichtige Rolle bei der Herausbildung und Formung personaler Identität. Nicht der Staat, sondern seine vielen einzelnen Keimzellen, die Familien, sollen die Nutznießer der lebzeitigen Mühen des Erblassers sein. Mit diesem Verständnis kollidieren sowohl die Erbeinsetzung einer gemeinnützigen Stiftung, denn sie schließt die Familie von der Vermögensnachfolge weitgehend aus, als auch die Testamentsvollstreckung. Diese belässt der Familie zwar das Eigentum, entzieht ihr aber faktisch die Nutznießung daran.
Rz. 3
Dieses grundsätzliche Spannungsverhältnis zwischen Erbe, Stiftung und Testamentsvollstrecker wird zusätzlich überlagert durch Spannungsverhältnisse der Beteiligten untereinander. Selbst wenn die Familie die Erbeinsetzung der gemeinnützigen Stiftung grundsätzlich akzeptiert, beispielsweise weil es dem Erblasser lebzeitig gelungen ist, die Familie von der Sinnhaftigkeit seiner Entscheidung zu überzeugen und die Familie möglicherweise anderweitig bedacht wurde, kann es zu Spannungen zwischen der bedachten Stiftung und dem Testamentsvollstrecker kommen, wenn die unterschiedlichen Rollen im Gesamtsystem der Vermögensnachfolge wechselseitig nicht hinreichend respektiert werden.
Rz. 4
Schließlich darf auch nicht übersehen werden, dass in der Dreiecksbeziehung zwischen Stiftung, Erbe und Testamentsvollstrecker jeder Beteiligte durchaus eigene, handfeste wirtschaftliche Interessen verfolgt. Das Spannungsverhältnis wird erfahrungsgemäß nicht wesentlich konfliktfreier, wenn ein Beteiligter eine Doppelfunktion wahrnimmt. Das Zusammenfallen von Stiftung und Erbe ist in der Praxis durchaus nicht selten anzutreffen und rechtlich ohne weiteres möglich. Es treten jedoch andere Probleme auf. Unselbstständige Stiftungen können beispielsweise nicht Erbe werden. Oder der Nachlass, der im Wesentlichen aus einem Unternehmen besteht, möglicherweise auch nur in Form eines notleidenden Filmfonds, passt schlicht nicht zur Anlagestruktur der gemeinnützigen Organisationen.
Rz. 5
Eine Identität von Stiftung und Testamentsvollstrecker ist rechtlich ebenfalls möglich, aber selten praxistauglich. Gemeinnützige Stiftungen verfügen regelmäßig weder über die organisatorische noch die personelle Ausstattung, Nachlässe effizient abzuwickeln. Überdies dürfte es in den seltensten Fällen ihrem Stiftungszweck entsprechen, Erträge aus geschäftsmäßigen Testamentsvollstreckungen zu generieren. Personelle Identität von Erbe und Testamentsvollstrecker ist rechtlich grundsätzlich möglich und wird in der kautelarjuristischen Praxis durchaus häufig eingesetzt, um die Rechtsmacht eines von mehreren Erben zu stärken. Gerade dieser Ansatz erweist sich aber regelmäßig als geradezu den Konflikt provozierend, weil der zurückgesetzte Miterbe nun umso intensiver Schwachpunkte der Nachfolgeplanung an anderen Stellen suchen wird.
C. Spannungsverhältnis in der öffentlichen Wahrnehmung
Rz. 6
23.876 rechtsfähige Stiftungen weist die Statistik des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen zum 31.12.2020 aus. Das Wachstum liegt bei 3 % p.a. Sie und die unzähligen unselbstständigen Stiftungen in Deutschland haben ihren festen Platz in der öffentlichen Wahrnehmung gefunden. Nahezu wöchentlich finden sich Artikel über Stiftungen im Allgemeinen oder über konkrete Projekte, fast ausschließlich mit positivem Inhalt.
Die öffentliche Wahrnehmung der Testamentsvollstreckung hingegen ist durchaus zwiespältig. Sie wird als unentbehrlich in der unternehmerischen Vermögensnachfolge betrachtet, zugleich würde sie aber wegen ihrer großen Machtfülle oft großen Schaden anrichten. Wieder andere sehen im Testamentsvollstrecker den natürlichen Feind des Erben.
D. Fehlende Qualifikation als Spannungsauslöser
Rz. 7
Bei der Gründung und laufenden Beratung einer Stiftung ist kompetente Beratung unerlässlich. Diese Auffassung hat sich mittlerwe...