1. Allgemeines
Rz. 230
Aufgrund der Disparität der erb- und gesellschaftsrechtlichen Haftungsordnungen (vgl. § 2 EGHGB) kommt es zu erheblichen Problemen von Testamentsvollstreckungen im Unternehmensbereich. So würde die Fortführung eines Handelsgeschäfts durch einen Testamentsvollstrecker auf die Führung eines Handelsgeschäfts mit beschränkter Haftung hinauslaufen. Ein derartiger Widerspruch zum Handelsrecht, wonach derjenige, der ein Handelsgeschäft führt, mit seinem gesamten Vermögen für die Verbindlichkeiten haftet, kann von der Rechtsordnung nicht hingenommen werden. Daher ist eine Testamentsvollstreckung an einem Handelsgeschäft unzulässig. Die erbrechtlichen Vorschriften treten hinter denen der handelsrechtlichen Bestimmungen über die Firmenfortführung und Haftung für Geschäftsschulden zurück.
Rz. 231
In der Lit. wird zu Recht eine Abwicklungsvollstreckung am Handelsgeschäft für möglich erachtet, weil dann die handelsrechtlichen Haftungsgrundsätze der §§ 25, 27 HGB nicht eingreifen. Eine Fortführung des Handelsgeschäfts über die Drei-Monats-Frist des § 27 Abs. 2 HGB hinaus ist jedoch nicht zulässig. Die Abwicklungsvollstreckung erlischt somit automatisch nach Ablauf dieser Drei-Monats-Frist, sofern das Einzelunternehmen nicht an die Erben gem. § 2217 BGB freigegeben bzw. bis zu diesem Zeitpunkt in eine andere Rechtsform überführt wurde. Ebenso wäre eine fristgerechte Verpachtung möglich. Führt der Testamentsvollstrecker dennoch nach Ablauf von drei Monaten die Vollstreckung fort, haftet er analog § 177 BGB persönlich.
2. Einzelne Ersatzlösungen
Rz. 232
Aufgrund der zahlreichen Probleme sind Ersatzlösungen entwickelt worden, die nachfolgend aufgeführt werden:
a) Vollmachtslösung
Rz. 233
Der Testamentsvollstrecker kann sich durch die Erben zur Fortführung des Handelsgeschäftsbevollmächtigen lassen. Hierdurch kann der Testamentsvollstrecker den Erben mit seinem Privatvermögen verpflichten. Als Inhaber des Handelsgeschäfts wird der Erbe in das Handelsregister eingetragen und haftet nach den §§ 25, 27 Abs. 1 HGB für die Verbindlichkeiten des Erblassers und persönlich und unbeschränkt für alle neu entstehenden Verbindlichkeiten aus dem Handelsgeschäft.
Rz. 234
Das Problem der Vollmachtlösung liegt darin, dass aufgrund der Notwendigkeit einer Vollmachtserteilung die Mitwirkung des Erben Voraussetzung ist. Um diese Mitwirkung zu erreichen, wird in der Praxis häufig die Erbeinsetzung von der Bedingung abhängig gemacht, dass eine Vollmacht erteilt wird. Ebenso wird vorgeschlagen, die Erbeinsetzung unter die auflösende Bedingung für den Fall zu stellen, dass die Vollmacht grundlos widerrufen wird. Ferner kann der Erbe auch mit einer Auflage nebst zusätzlichen Straf- oder Verwirkungsklauseln zur Erteilung einer Vollmacht bewegt werden. Teilweise wird es jedoch für unzulässig erachtet, wenn der Erbe testamentarisch gezwungen werden kann, dem Testamentsvollstrecker die Verpflichtungsbefugnis über sein Privatvermögen einzuräumen. Nach hiesiger Auffassung ist eine derartige Verpflichtung aber zulässig, da sich der Erbe ohne Weiteres gegenüber diesen Anordnungen durch Ausschlagung schützen kann. In der Praxis ungeeignet sind jedoch Klauseln, wonach der Erbe lediglich aufgefordert wird, dem Testamentsvollstrecker eine Vollmacht zu erteilen. Vielmehr sollte dann auch die Vollmacht ganz konkret vorgegeben und unwiderruflich gestellt werden, wobei ein Widerruf der Vollmacht dann zulässig sein sollte, wenn die Voraussetzungen des § 2227 BGB gegeben sind bzw. das Amt erlischt.
Rz. 235
Praxishinweis
Als weiteres Korrektiv ist anzuraten, dem durch die Testamentsvollstreckung beschwerten Erben oder Vermächtnisnehmer wenigstens die Möglichkeit einzuräumen, auch selbst auf die Verwaltung Einfluss zu nehmen.
Um die Probleme einer möglichen Sittenwidrigkeit der Erteilung einer unwiderruflichen Generalvollmacht zu umgehen, empfiehlt es sich, die Vollmacht im Außenverhältnis sowohl inhaltlich als auch zeitlich zu begrenzen und insb. die Dauer der Bevollmächtigung an die Dauer der Amtszeit der Testamentsvollstreckung zu koppeln. Sofern eine Gefährdung des Privatvermögens der Erben durch die Erteilung der Vollmacht in Betracht kommt, kann dem dadurch begegnet werden, dass die Eingehung von Verbindlichkeiten von der Zustimmungspflicht der Erben abhängig gemacht werden können.
Rz. 236
Übersicht: Vollmachtslösung
Inhaber des Geschäfts: |
Erbe |
Handelsregistereintragung lautet auf Eigentümer des Betriebsvermögens: |
Erbe |
Haftung für Altschulden aus Handelsgeschäft: |
Nur Erben, aber wegen §§ 27, 25 Abs. 2 HGB Haftungsbeschränkung möglich. |
Haftung für neue Geschäftsschulden: |
Erben |
Zwangsvollstreckungsmöglichkeit für Eigengläubiger der Erben: |
Keine Möglichkeit wegen § 2214 BGB. |
Zwangsvollstreckungsmöglichkeit für Gläubiger des Testamentsvollstreckers: |
Keine Möglichkeit |
Vorteile: |
Keine persönliche Haftung des Testamentsvollstreckers bei Gesc... |