Rz. 1
Die Ehe von M und F1 ist geschieden. Aus der Ehe ist das 5-jährige Kind K1 hervorgegangen, das von seiner Mutter F1 betreut wird. Nach Rechtskraft der Scheidung hatte M vorübergehend eine Beziehung mit neKM. Aus dieser Beziehung ist das 1-jährige Kind neK2 hervorgegangen ist. M und neKM leben nicht zusammen. Das gemeinsame Kind wird von seiner Mutter neKM betreut. M hat ein bereinigtes Nettoeinkommen von monatlich 5.100 EUR. F1 und neKM haben beide kein Einkommen und können wegen Kinderbetreuung auch kein Einkommen erzielen. NeKM hatte vor der Geburt des Kindes ein Nettoeinkommen von monatlich 1.200 EUR und sie würde auch ohne Kind heute nicht mehr verdienen. Beide Mütter und beide Kinder verlangen von M Unterhalt.
I. Kindesunterhalt
Rz. 2
Der Bedarf von Kindern richtet sich nach der Düsseldorfer Tabelle. Bezüglich der Einzelheiten wird auf Fall 1 verwiesen (siehe § 1 Rdn 1).
M hat ein bereinigtes Nettoeinkommen von 5.100 EUR. Es kommt deshalb grundsätzlich die Einkommensgruppe 9 (4.701 – 5.100 EUR) zur Anwendung. Es sind 4 Unterhaltsberechtigte vorhanden. Die DT geht von 2 Unterhaltsberechtigten aus. Eine Herabstufung ist deshalb geboten, und zwar um zwei Gruppen, so dass Gruppe 7 (3.901 – 4.300 EUR) heranzuziehen ist.
Kind K1 ist 5 Jahre alt, es fällt also in die Altersstufe 1.
Sein Bedarf beträgt damit grundsätzlich 539 EUR.
Das halbe Kindergeld (109,50 EUR) ist bedarfsdeckend anzurechnen.
Der Unterhalt für K1 beträgt somit 429,50 EUR (539 – 109,50 EUR).
Kind K2 ist 1 Jahr alt, es fällt also in die Altersstufe 1.
Sein Bedarf beträgt damit grundsätzlich 539 EUR.
Das halbe Kindergeld (109,50 EUR) ist bedarfsdeckend anzurechnen.
Der Unterhalt für K2 beträgt somit 429,50 EUR (539 – 109,50 EUR).
II. Ehegattenunterhalt für F1
Rz. 3
Reihenfolge der Ermittlung der Partnerunterhaltsansprüche:
Der Umstand, dass die neKM und F im Fallbeispiel gleichrangig sind, hat erst bei der Frage der Leistungsfähigkeit des M Bedeutung.
Es gibt keine zwingende Reihenfolge für die Ermittlung der Unterhaltsansprüche. Aber sinnvoller Weise ist zunächst der Ehegattenunterhalt zu ermitteln (vgl. hierzu Fall 49, siehe § 15 Rdn 1).
Hinweis
Die Frage der Prüfungsreihenfolge stellt sich nicht, wenn das nichteheliche Kind vor Rechtskraft der Scheidung geboren wurde und damit der Unterhaltsanspruch der Kindsmutter nach § 1615l eheprägend ist. In einem solchen Fall kann es zur Dreiteilung auf der Bedarfsebene kommen (vgl. Fall 49a, siehe § 15 Rdn 25 ff. und § 16 Rdn 29 und Anhang 1 Rdn 1).
1. Anspruchsgrundlage
Rz. 4
Im Fallbeispiel wird davon ausgegangen, dass F1 wegen Betreuung des Kindes unterhaltsberechtigt ist (§ 1570 BGB).
2. Bedarf der F1
Rz. 5
Zunächst das Einkommen von M und F1 zu ermitteln, das für die Bestimmung des Bedarfs von F1 maßgebend ist.
a) Bedarfsbestimmende Einkommen des M in Bezug auf F1
Rz. 6
Nachdem es sich bei den 5.000 EUR bereits um das bereinigte Nettoeinkommen des M handelt, ist nur noch der Vorwegabzug des Kindesunterhalts zu prüfen.
aa) Vorwegabzug Kindesunterhalt?
(1) Kind aus erster Ehe
Rz. 7
Der Unterhalt für K1, der schon die erste Ehe geprägt hat, ist abzuziehen, und zwar in Höhe des Zahlbetrages.
(2) Kind aus der zweiten Beziehung
Rz. 8
Hierbei ist zu beachten, dass der Unterhalt für das Kind K2 aus der zweiten Beziehung des M mit der neKM nur abgezogen werden kann, wenn K2 noch vor Rechtskraft der Scheidung der Ehe von M und F1 geboren wurde (vgl. Fall 48, siehe § 12 Rdn 28 ff. und Fall 49a, siehe § 15 Rdn 25 ff.).
Hinweis
Dies ändert nichts daran, dass der Kindesunterhalt im Falle beschränkter Leistungsfähigkeit vorrangig sein wird. Es geht beim anstehenden Prüfungspunkt nur um die Ermittlung des Einkommens des M, das für den Bedarf der F1 maßgebend ist.
Im Fallbeispiel wird davon ausgegangen, dass das Kind K2 nach Rechtskraft der Scheidung der Ehe von M und F1 geboren wurde. Der Kindesunterhalt für K2 hat somit die ehelichen Lebensverhältnisse von M und F1 nicht geprägt. Deshalb ist der Kindesunterhalt für K2 bei der Bestimmung des Bedarfs von F1 nicht vorweg abzuziehen (vgl. auch Fall 49, siehe § 15 Rdn 1).
bb) Vorwegabzug eines etwaigen Unterhalts für die Mutter des nichtehelichen Kindes?
Rz. 9
Auch der Unterhaltsanspruch der neKM hat die Ehe von M und F1 nicht geprägt und stellt deshalb keinen Abzugsposten dar.
BGH, Urt. v. 7.12.2011 – XII ZR 151/09
Die Unterhaltspflichten für neue Ehegatten sowie für nachehelich geborene Kinder und den dadurch bedingten Betreuungsunterhalt nach § 1615l BGB sind nicht bei der Bemessung des Unterhaltsbedarfs eines geschiedenen Ehegatten nach § 1578 Abs. 1 S. 1 BGB zu berücksichtigen.
Hinweis
Anders ist die Situation, wenn das nichteheliche Kind noch vor Rechtskraft der Scheidung geboren wurde (vgl. hierzu Fall 49a, siehe § 15 Rdn 25 ff., und die Hinweise am Ende des Fallbeispiels).
Somit ist für die Ermittlung des bedarfsbestimmenden Einkommens in Bezug auf F1 nur der Kindesunterhalt für K1 abzuziehen.
5.100 (Einkommen M) – 429,50 (Zahlbetrag Kindesunterhalt) = 4.670,50 EUR
b) Bedarfsbestimmendes Einkommen der F1
Rz. 10
F1 hat tatsächlich kein Einkommen und kann bzw. muss im Fallbeispiel auch keines erzielen. Im Fallbeispiel ist deshalb auch kein fiktives Einkommen anzusetzen.
c) Halbteilungsgrundsatz (Grundsatz der gleichen Teilhabe an den ehelichen Lebensverhältnissen)
Rz. 11
Es gilt der Grundsatz der Halbteilung zwischen M und F1. Eine Bedarfsbestimmung mittels der Dreiteilung zwischen M, F1 und neKM kommt hier nicht in Betracht ...