Rz. 3
Obliegenheiten sind teils gesetzlich, teils vertraglich geregelte Verhaltenspflichten, deren Einhaltung zwar nicht eingeklagt werden und deren Verletzung nicht zu Schadensersatzpflichten führen kann, die der Versicherungsnehmer (und ein mitversicherter Dritter) aber einzuhalten hat, um den Versicherungsschutz nicht zu verlieren. Als verkehrsrechtliche Obliegenheitsverletzung kommen eine Vielzahl von Fahr- und Verhaltensweisen in Frage, beginnend beim Fahren im fahruntüchtigen Zustand, über Rotlichtverstöße oder hohe Geschwindigkeitsüberschreitung, Überfahren eines Stopp-Schildes, gefährdendes Überholen oder Ausweichen vor einem Kleintier, bis hin zum Rauchen während der Fahrt, Ablenkung durch Kassettenwechseln oder nicht ordnungsgemäßen Absichern eines Pkw gegen Diebstahl (LG Hamburg DAR 2010, 473; LG Trier zfs 2010, 510; OLG Saarbrücken zfs 2010, 506; zfs 2011, 151; LG Berlin DAR 2013, 209; OLG Koblenz zfs 2013, 573; OLG Dresden zfs 2018, 276; LG Saarbrücken zfs 2019, 157).
Voraussetzung ist aber, dass die Obliegenheit, auf deren Verletzung sich der Versicherer beruft, auch wirksam vereinbart worden ist. Das geschieht in der Regel in den AKB, die grundsätzlich nur dann wirksam vereinbart sind, wenn sie dem Versicherungsnehmer vor Abgabe seiner Vertragserklärung überlassen worden sind. Nach Auffassung des LG Saarbrücken (zfs 2012, 628) soll der Versicherungsnehmer allerdings formularmäßig einen gesonderten Verzicht auf die vorherige Überlassung der AKB erklären können.
Nach der Neuregelung des VVG hatten die Versicherer darüber hinaus die Möglichkeit, ihre Bedingungen durch Übersendung eines den Anforderungen des VVG angepassten Textes einseitig zu ändern. Dafür, dass der Text zugegangen und damit die neuen Bedingungen wirksam vereinbart wurden, ist der Versicherer beweispflichtig (OLG Celle zfs 2012, 515).
Sind neue Bedingungen nicht wirksam vereinbart worden, kann sich der Versicherer nicht auf die Fortgeltung der alten AKB berufen, da die dort enthaltene Sanktionsregelung nicht mehr gilt, mit der Folge, dass sich der Versicherer auch nicht im Wege der geltungserhaltenden Reduktion auf wenigstens zum Teil fortgeltende AKB berufen kann (BGH VersR 2011, 1550).
Rz. 4
Im Zusammenhang mit der Kfz-Versicherung ist zu beachten, dass diese eine in einem Versicherungsschein zusammengefasste Mehrzahl selbstständiger Versicherungsverträge umfasst, weshalb Obliegenheitsverletzung und Gefahrerhöhung für die jeweilige Sparte getrennt zu prüfen sind (OLG Karlsruhe VersR 2013, 1123).
Rz. 5
Trotz der Formulierung als Risikoausschluss kann es sich um eine sog. verhüllte Obliegenheit handeln (BGH NJW-RR 2000, 1190), nämlich dann, wenn ein bestimmtes Verhalten für die Erhaltung des Versicherungsschutzes aufgegeben wird, also nicht von vornherein nur ausschnittsweise Deckung gewährt wird (BGH VersR 1990, 482). Eine verhüllte Obliegenheit ist z.B. die Führerscheinklausel in der Rechtsschutzversicherung (siehe hierzu § 15 Rdn 31).