Rz. 16
Die Höhe der Quote ist nach dem Grad des Verschuldens zu bestimmen, nämlich danach, ob die Fahrlässigkeit näher zum Vorsatz oder eher im Grenzbereich zur einfachen Fahrlässigkeit liegt (Abschlussbericht der VVG Kommission, Seite 354).
Das von Felsch,Nugel oder dem LG Kassel (zfs 2011, 33) vertretene Mittelwertmodell, das bei durchschnittlicher grober Fahrlässigkeit eine Quote von 50 % zugrunde legt und die Beweislast für eine höhere Quote dem Versicherungsnehmer und für eine geringere dem Versicherer auferlegt, wird von der überwiegenden Meinung als bereits mit dem Regierungsentwurf zum VVG (siehe dort S. 173) nicht vereinbar abgelehnt.
Der Grad des Verschuldens wird hier nämlich im Gegensatz zu der die Obliegenheitsverletzung selbst erst begründenden groben Fahrlässigkeit nicht gesetzlich vermutet; vielmehr bleibt der Versicherer für die Schwere des Verschuldens beweispflichtig, soweit es um seine Kürzungsbefugnis geht. Deshalb ermittelt die herrschende Meinung die Quote, ohne einen festen Einstiegswert zugrunde zu legen, in einer auf den Einzelfall bezogenen Prüfung (LG Münster DAR 2010, 473; OLG Hamm DAR 2011, 25; OLG Saarbrücken zfs 2011, 221), wobei den Versicherungsnehmer zwar die Darlegungslast für die ihm günstigen Umstände trifft, die Beweislast als solche jedoch beim Versicherer verbleibt (BGH zfs 2011, 511).
Noch nicht abschließend geklärt ist, in welchen Schritten die Quote zu bilden ist: ob nur in Schritten von 25 % (so z.B. LG Münster DAR 2010, 473) oder differenzierter z.B. in Schritten von 10 % (LG Dortmund zfs 2010, 515; LG Hannover zfs 2010, 637; LG Erfurt VersR 2011, 335).
Rz. 17
Entschieden ist dagegen der Streit, ob eine grob fahrlässige Obliegenheitsverletzung zu einer Kürzung auf null berechtigen kann. Das KG (VersR 2011, 487) und der überwiegende Teil der Literatur hatten dies mit der Begründung verneint, schon der in §§ 81, 82 VVG enthaltene Begriff der Leistungskürzung setze voraus, dass ein gewisser Restanspruch des Versicherungsnehmers verbleiben müsse, anderenfalls sei entgegen der erklärten Absicht des Gesetzgebers das "Alles-oder-nichts-Prinzip" nicht wirklich abgeschafft."
Die überwiegende Instanzrechtsprechung (OLG Hamm zfs 2010, 634; OLG Stuttgart DAR 2011, 204; LG Saarbrücken r+s 2016, 343; OLG Dresden zfs 2018, 276) und letztlich auch der BGH (zfs 2011, 511; zfs 2012, 212) sind gegenteiliger Auffassung, wobei der BGH betont, dass - wenn auch die völlige Leistungsfreiheit bei grober Fahrlässigkeit die Ausnahme bleiben müsse - weder dem Gesetzeswortlaut noch den Motiven eine gegenteilige Auffassung des Gesetzgebers zu entnehmen sei.