1. Regresslimitierung in der Haftpflichtversicherung
Rz. 18
Zwar berechtigt auch in der KH-Versicherung eine grob fahrlässig begangene Obliegenheitsverletzung zu einer am Grad des Verschuldens orientierten Leistungskürzung, d.h. u.U. auch auf 0 (BGH zfs 2012, 212; LG Saarbrücken zfs 2012, 648), die Leistungsfreiheit und damit die Regressmöglichkeit des Versicherers ist in der KH-Versicherung gegen den Versicherungsnehmer und den mitversicherten Fahrer jedoch auf höchstens 5.000 EUR je Schadensfall begrenzt (§ 5 Abs. 3 KfzPflVV; D. 3.3 S 1 AKB 2008), es sei denn, der Fahrer hätte das Fahrzeug durch eine strafbare Handlung erlangt (§ 5 Abs. 3 KfzPflVV).
Rz. 19
Achtung: "Familienprivileg" des § 86 VVG auf KH-Regress auch nicht analog anwendbar"
Auf den Regress des KH-Versicherers ist das im Kaskorecht gem. § 86 Abs. 3 VVG geltende Familienprivileg auch nicht analog anwendbar, weil der Sinn des KH-Regresses ein anderer als der im Kaskorecht ist (BGHZ 105, 140; KG zfs 2014, 31).
Rz. 20
In der KH-Versicherung ist der Höchstbetrag von 5.000 EUR nur für vorsätzliche oder besonders schwerwiegende Verstöße, wie z.B. eine Trunkenheitsfahrt mit hohem Promillewert verwirkt (BGH zfs 2012, 212; LG Saarbrücken zfs 2012, 626). Leichtere Verstöße, wie z.B. die üblichen Verkehrsunfallfluchten, erfüllen dagegen per se diese Voraussetzungen nicht (BGH NJW 1982, 2323), hier müssen vielmehr noch zusätzliche Umstände hinzukommen, so z.B. dass der Unfallfahrer Verletzte zurücklässt (OLG Karlsruhe zfs 1999, 473) oder sich durch Flucht der Blutentnahme entziehen will (OLG Karlsruhe VersR 2000, 1408). Davon kann dann keine Rede mehr sein, wenn die Flucht Belange des Verletzten nicht gefährdet hat (z.B. Dritte sofort für ärztliche Hilfe sorgten) und der Versicherungsnehmer sein Fahrzeug am Unfallort zurückgelassen hat. Das gilt selbst dann, wenn der Unfallflüchtige anschließend noch nicht einmal eine Unfallmeldung abgibt (OLG Hamm NZV 1998, 749).
Allerdings unterliegt nicht etwa der jeweilige Höchstbetrag einer eventuell vorzunehmenden Quotierung, sondern der auf höchstens 5.000 EUR begrenzte Regressbetrag ist mit der auf den Gesamtschaden bezogenen Quote zu errechnen (LG Bochum zfs 2012, 573; LG Saarbrücken zfs 2012, 631).
2. Mehrfache Obliegenheitsverletzung
a) Mehrere Unfälle auf einer Fahrt
Rz. 21
Der Regressbetrag ist für jeden Schadensfall getrennt zu ermitteln. Verursacht der Versicherungsnehmer mehrere Unfälle, liegen mehrere Versicherungsfälle dann vor, wenn sich die Unfälle nach der Verkehrsanschauung nicht als Teil eines einheitlichen Geschehens darstellen, sich z.B. in einem zeitlichen Abstand von 30 Minuten ereignen (BGH NJW 2006, 292; OLG Celle zfs 2012, 513).
b) Zweifache Verletzung einer gleichartigen Obliegenheit
Rz. 22
Begeht der Versicherungsnehmer eine zweite gleichartige Obliegenheitsverletzung, d.h. verletzt er zwei Obliegenheitsverletzungen vor dem Versicherungsfall (z.B. Fahren ohne Fahrerlaubnis und Trunkenheit) oder zwei nach dem Versicherungsfall zu erfüllende Obliegenheiten (z.B. Nichtabgabe der Schadensmeldung nach einer Unfallflucht), kommt der zweiten Verletzung keine eigenständige Bedeutung mehr zu. Hier ist nur ein einmaliger Regress in Höhe von max. 5.000 EUR möglich und zwar deshalb, weil bereits der erste Verstoß das schützenswerte Interesse des Versicherers umfassend verletzt hat und der zweite Verstoß keine eigenständige Wirkung mehr entfalten konnte. So ist z.B. das Aufklärungsinteresse des Versicherers bereits durch eine Unfallflucht umfassend verletzt, weshalb die anschließende Nichtabgabe der Schadensmeldung keine eigenständige zusätzliche Bedeutung mehr haben kann. Vergleichbares gilt im Falle eines Nachtrunkes nach einer Unfallflucht (OLG Brandenburg zfs 2004, 518; OLG Düsseldorf NZV 2005, 201).
c) Verletzung je einer vor und einer nach dem Versicherungsfall zu erfüllenden Obliegenheit
Rz. 23
Während sich wegen des damals geltenden "Alles-oder-nichts-Prinzip" in der Kaskoversicherung das Problem nicht stellte, waren in der KH-Versicherung beide Obliegenheitsverletzungen zu addieren, d.h. der Versicherer konnte bis max. 10.000 EUR regressieren (OLG Saarbrücken zfs 2003, 501; OLG Düsseldorf VersR 2004, 1406; BGH zfs 2006, 490; a.A. lediglich OLG Nürnberg zfs 2001, 316). Das wird gerechtfertigt mit dem unterschiedlichen Schutzzweck der vor und nach dem Eintritt des Versicherungsfalles bestehenden Obliegenheiten: Die vor Eintritt des Versicherungsfalles zu erfüllenden Obliegenheiten, z.B. die Trunkenheitsklausel, sollten gerade den Eintritt des Schadensfalles verhindern, während Aufklärungsobliegenheiten (z.B. Unfallflucht) der Schadensminderung und der Prüfung der Leistungsfreiheit dienen."
Es ist davon auszugehen, dass auch nach der Änderung des VVG diese Grundsätze für die KH-Versicherung fortgelten (so jetzt auch OLG Celle zfs 2012, 571; OLG Frankfurt zfs 2018, 450).
Eine Anwendung auch auf das Kaskorecht würde dagegen dem in der VVG-Reform zu Tage getretenen gesetzgeberischen Willen zuwiderlaufen und das "Alles-oder-nichts-Prinzip" durch die Hintertür wieder einführen."
Nicht gefolgt werden kann deshalb z.B. dem LG Kassel (zfs 2011, 33), wenn es die jeweiligen Kürzungsquoten einfach addiert und so in der Regel wieder zur Leistungsfreiheit kommt. Nach richtiger Auff...