Rz. 38
Wie bereits ausgeführt, stehen die Deckungsbereiche der Kfz-Haftpflichtversicherung und der privaten Haftpflichtversicherung zueinander im Verhältnis der Exklusivität. Das heißt, ein Schadenfall kann nur in einen der beiden Deckungsbereiche fallen. Die Exklusivität beider Deckungsbereiche kann auch im Rahmen der Verkehrsunfallbearbeitung von entscheidender Bedeutung sein.
Rz. 39
Privat-Haftpflichtversicherungsverträgen liegen die Allgemeinen Bedingungen für die Privat-Haftpflichtversicherung (AHB) zugrunde. Hiernach erstreckt sich der Versicherungsschutz ausdrücklich nicht auf Erhöhungen oder Erweiterungen des versicherten Risikos, soweit sie mit dem Halten oder Führen von Kfz im Zusammenhang stehen. Diese Leistungsbeschreibung des Versicherungsvertrags wird präzisiert durch die Risikobeschreibung der "kleinen Benzinklausel". Danach ist in der Privaten Haftpflichtversicherung die Haftpflicht des Eigentümers, Besitzers, Halters oder Fahrers eines Kraftfahrzeugs wegen Schäden, die durch den Gebrauch des Fahrzeugs verursacht werden, nicht versichert. Nach den AKB ist im Gegenzug für die Eintrittspflicht des Kfz-Haftpflichtversicherers entscheidend, ob der Eintritt des Schadensfalls durch den "Gebrauch" des Kraftfahrzeugs herbeigeführt wird.
Der Ausschluss einer Deckung von Haftpflichtansprüchen in der Privathaftpflichtversicherung wegen Schäden, die durch den Gebrauch eines Kraftfahrzeugs verursacht sind (sog. Benzin-klausel), setzt voraus, dass sich eine "Gefahr verwirklicht hat, die gerade dem Fahrzeuggebrauch eigen, diesem selbst und unmittelbar zuzurechnen ist." Dies ist immer im Einzelfall zu prüfen: Bei der Grundsatzentscheidung des BGH hierzu ging es um einen verursachten Brand durch einen mobilen Heizlüfter, der im Fahrzeug eingesetzt wurde. Bei dem Heizlüfter handelt es nach Ansicht des BGH aber um ein fahrzeugfremdes Gerät und somit ging das Risiko allein vom Gebrauch des Heizlüfters aus und nicht vom Fahrzeug. Der Deckungsbereich der privaten Haftpflicht ist allein eröffnet. Dies gilt z.B. auch dann, wenn beim Aussteigen aus einem Kfz eine transportierte Flasche mit Bauschaum explodiert: In diesem Fall hat sich nicht ein Risiko des Kfz, sondern des transportierten explosionsgefährdeten Stoffs realisiert.
Ein wichtige Fallgruppe in der Praxis betrifft die Fälle, bei denen ein Einkaufswagen im Zusammenhang mit dem Beladen eines Kfz einen Schaden verursacht. Wenn aber die Grundsätze des BGH auf diese Fallgruppe übertragen werden zeigt sich, dass hier i.d.R. der Anwendungsbereich der privaten Haftpflicht eröffnet ist. Der Betrieb eines Kraftfahrzeugs nach § 7 StVG liegt danach nicht vor, wenn das Wegrollen eines Einkaufswagens mit folgender Beschädigung eines anderen Kfz nicht auf die Gefahr des abgestellten Kfz, sondern auf die nachlässige Sicherung des Einkaufswagens zurückzuführen war. Eine adäquate Schadenverursachung durch den Gebrauch des Kfz ist in diesem Fall nicht gegeben, da die sich in dem Schaden realisierte Gefahr nicht von dem Kfz selbst ausging, sondern von dem vorhergehenden Verhalten, nämlich der mangelnden Sicherung des Einkaufswagens gegen Wegrollen.
Auch bei anderen Sachverhalten ist immer eine genaue Prüfung des Einzelfalls geboten, wie anhand des nachfolgenden Beispiels aufgezeigt werden soll.
Rz. 40
Beispiel
A ist Eigentümer eines Motorrades. Er stellt das Motorrad stets auf der Auffahrt zu seinem Grundstück ab. B will A besuchen. Hierzu fährt er mit seinem Kraftfahrzeug auf die Auffahrt zum Grundstück des A und bringt den Pkw unmittelbar hinter dem Motorrad zum Stehen. Um seinen Pkw ordnungsgemäß parken zu können, steigt B aus und schiebt das Motorrad vor das Haus des A. Als er zu seinem Kraftfahrzeug zurückgeht, fällt das Motorrad um. Dabei wird die gesamte Verkleidung des Motorrades beschädigt. A wendet sich sowohl an den Privat-Haftpflichtversicherer als auch an den Kfz-Haftpflichtversicherer des B und macht jeweils Schadensersatz geltend. Beide Versicherer lehnen mit der Begründung ab, nicht sie, sondern der jeweils andere Versicherer sei eintrittspflichtig. Tatsächlich ist hier der Deckungsbereich der Kfz-Haftpflichtversicherung tangiert, an die sich A wenden muss.
Rz. 41
Muster 16.9: Eintrittspflicht des Kfz-Haftpflichtversicherers
Muster 16.9: Eintrittspflicht des Kfz-Haftpflichtversicherers
_________________________ Versicherung AG
_________________________
_________________________
Schaden-Nr./VS-Nr./Az. _________________________
Schaden vom _________________________
Pkw _________________________, amtl. Kennzeichen _________________________
Sehr geehrte Damen und Herren,
sehr geehrter Herr _________________________,
entgegen der von Ihnen vertretenen Auffassung fällt der hier interessierende Haftpflichtfall nicht in den Deckungsbereich der privaten Haftpflichtversicherung.
Maßgeblich für Ihre Eintrittspflicht ist, ob der Schadensfall noch dem "Gebrauch" eines Kraftfahrzeugs zuzuordnen ist. Der Begriff des "Gebrauchs" ist sehr weit auszulegen. Davon wird jede typis...