Rz. 24
Eine in der Praxis häufig vorkommende Obliegenheitsverletzung ist die Angabe eines in dieser Art und Weise nicht zutreffenden Schadensherganges. Auch ein derartiger falscher Vortrag begründet eine Obliegenheitsverletzung nach Eintritt des Versicherungsfalls.
1. Vorsatz und grob fahrlässige Falschauskunft des Versicherungsnehmers
Rz. 25
Beruft sich der Versicherer darauf, dass der Versicherungsnehmer eine falsche Angabe zum Hergang getätigt hat, ist von einem grob fahrlässigen Handeln des Versicherungsnehmers zunächst auszugehen. Es obliegt dem Versicherungsnehmer, sich hiervon zu entlasten. Eine genaue Prüfung des Einzelfalls ist geboten. Sollte der Versicherer allerdings von einem vorsätzlichen Handeln des Versicherungsnehmers ausgehen, so trägt er insoweit die Beweislast.
Beispiel
Ergibt ein unabhängiges Gutachten, dass der Versicherungsnehmer entgegen seiner Behauptung doch rückwärts gefahren ist und nicht bereits 10 Sekunden vor einem angeblichen Auffahrunfall stand, dürfte eine vorsätzliche Falschauskunft des Versicherungsnehmers nahe liegen. Hat der Versicherungsnehmer dagegen lediglich behauptet, er wäre lediglich einen Augenblick vor der Kollision wegen eines Abbremsens bei der Rückwärtsfahrt zum Stehen gekommen, dürfte diese Fehleinschätzung des konkreten Unfallablaufs bzgl. einzelner Sekundenabschnitte verzeihlich sein und keine grob fahrlässige Falschangabe vorliegen.
2. Kausalitätsgegenbeweis und Arglist
Rz. 26
Wird der Versicherer durch die Falschangabe des Versicherungsnehmers zur Aufnahme eines Prozesses veranlasst und stellt sich im Prozess heraus, dass eine (bewusste) Falschangabe des Versicherungsnehmers vorliegt, hat sich die Falschauskunft des Versicherungsnehmers bereits konkret in der Form ausgewirkt, dass bei wahrheitsgemäßer Auskunft kein Prozess aufgenommen und die dadurch verursachten Kosten erspart worden wären. Stellt sich bereits bei der außergerichtlichen Regulierung durch den Versicherungsnehmer heraus, dass die Unfallversion des Versicherungsnehmers nicht stimmt und reguliert der Versicherer sodann aus seiner Sicht angemessen, hat sich die Falschauskunft auf die Regulierung nicht ausgewirkt. Im Fall einer arglistigen Falschauskunft wäre aber auch in diesem Fall dem Versicherungsnehmer der Kausalitätsgegenbeweis verwehrt und der Versicherer könnte im Rahmen der Höchstgrenzen des § 6 KfzPflVV regressieren. Im Übrigen hätte sich die Falschauskunft auch konkret ausgewirkt, wenn dem Versicherer Aufwendungen bei der Einholung eines Gutachtens entstanden sind, mit dem erst der konkrete Sachverhalt ermittelt werden konnte.
3. Belehrungserfordernis
Rz. 27
In den Fällen der Verletzung einer nach Eintritt des Versicherungsfalls zu beachtenden Obliegenheit ist jedoch immer gesondert zu prüfen, ob der Versicherer eine dem Erfordernis des § 28 Abs. 4 VVG entsprechende Belehrung erteilt hat. Liegen lediglich mündliche Auskünfte des Versicherungsnehmers in einem Telefonat oder eine ergänzende Angabe gegenüber dem vom Versicherer beauftragten Sachverständigen vor, kann es an einer solchen Belehrung fehlen. Zu beachten ist aber auch, dass dem Versicherungsnehmer i.d.R. ein Schadensanzeigeformular zugesandt worden sein wird, in welchem sich eine umfassende Belehrung befindet. Diese wirkt i.d.R. für einen längeren Zeitraum fort, so dass der Versicherer nicht bei jeder sich anschließenden Befragung eine gesonderte Belehrung erteilen muss.
Hinweis:
Im Fall eines arglistiges Fehlverhaltens ist der Versicherungsnehmer nicht schützenswert und es bedarf keiner Belehrung über die Folgen einer falschen Auskunft.
Rz. 28
Das Belehrungserfordernis entfällt, wenn es sich um eine spontan vom Versicherungsnehmer zu beachtende Obliegenheit handelt, wie die Obliegenheit, sich nicht unerlaubt vom Unfallort zu entfernen.
Rz. 29
Muster 16.6: Einwand bei Regress des Versicherers bei unzutreffender Schilderung des Unfalls
Muster 16.6: Einwand bei Regress des Versicherers bei unzutreffender Schilderung des Unfalls
_________________________ Versicherung AG
_________________________
_________________________
Schaden-Nr./VS-Nr./Az. _________________________
Schaden vom _________________________
Pkw _________________________, amtl. Kennzeichen _________________________
Sehr geehrte Damen und Herren,
ausweislich der beiliegenden Vollmacht beauftragte mich Ihr Versicherungsnehmer, Herr _________________________ aus _________________________, mit der Wahrnehmung seiner Interessen in der im Betreff genannten Angelegenheit. Anlass zur Beauftragung gibt Ihr Schreiben vom _________________________. Darin machen Sie gegen meinen Mandanten aus Anlass des Schadensfalls vom _________________________ einen Regressanspruch in Höhe von 2.500 EUR geltend. Zur Begründung führen Sie aus, mein Mandant habe durch angeblich falsche Angaben eine Obliegenheitsverletzung begangen. Nach eingehender Prüfung der hier interessierenden Fragen zur Sach- und Rechtslage vermag ich mich der von Ihnen vertretenen Auffassung nicht anzuschließen.
1) Es fehlt bereits an einer vorsätzlichen Falschauskunft. Die Sachverhaltsschilderung meiner Mandantschaft ist in der Sache zutreffend bzw....