Peter Houben, Dr. iur. Martin Schimke
Rz. 305
Wird ein bei einer Konzernobergesellschaft beschäftigter Arbeitnehmer zum Geschäftsführer einer konzernabhängigen Tochter-Gesellschaft bestellt, kann der mit der Konzernobergesellschaft abgeschlossene Arbeitsvertrag nach der Rspr. des 6. Senats des BAG ohne Weiteres die schuldrechtliche Rechtsgrundlage für die Organstellung als Geschäftsführer bei der Tochtergesellschaft sein. An der Arbeitnehmereigenschaft ändert sich nichts, soweit durch die Bestellung zum Geschäftsführer der Arbeitsvertrag mit der Obergesellschaft weder aufgehoben noch zum Ruhen gebracht wird (vgl. LAG Köln v. 14.7.2022 – 9 Ta 68/22, juris Rn 25). Der schuldrechtliche Vertrag des Geschäftsführers muss nicht mit der juristischen Person abgeschlossen werden, zu deren Organvertreter er bestellt werden soll (vgl. BAG v. 25.10.2007 – 6 AZR 1045/06, NZA 2008, 168 = DB 2008, 355; BAG v. 24.11.2005, NZA 2006, 366 = DB 2006; BAG v. 8.6.2000, NZA 2000, 1013 = DB 2000, 1918). Geht dieses Arbeitsverhältnis im Wege des (Teil-) Betriebsüberganges von der Konzernmutter auf die Konzerntochter gem. § 613a BGB über, genießt der Geschäftsführer gemäß der negativen Fiktion des § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG gleichwohl keinen Kündigungsschutz nach §§ 1 ff. KSchG. Die dort bezeichneten Personengruppen seien ohne Rücksicht darauf, ob im Einzelfall ein Arbeitsverhältnis oder ein freies Dienstverhältnis vorliegt, allein wegen ihrer organschaftlichen Stellung aus dem Anwendungsbereich des allgemeinen Kündigungsschutzes herausgenommen (vgl. zuvor schon ebenso die Rspr. des BAG und BGH in BGH v. 8.1.2007, NZA 2007, 1174 = DB 2007, 1072 und BAG v. 17.1.2002 – 2 AZR 719/00, NZA 2000, 854 = DB 2002, 1945). Die ordentliche Kündigung eines GmbH-Geschäftsführers bedürfe daher nicht der sozialen Rechtfertigung (vgl. BGH v. 3.11.2003 – II ZR 158/01, GmbHR 2004, 57 = NJW-RR 2004, 540). Dies bedeutet, dass ein im Zeitpunkt der Kündigung organschaftlich bestellter Geschäftsführer selbst dann keinen Kündigungsschutz genießt, wenn er Arbeitnehmer ist. Dabei ist für den 6. Senat des BAG maßgebend, dass zwischen den Parteien nur ein einziges Schuldverhältnis besteht (vgl. BAG v. 25.10.2007 – 6 AZR 1045/06, NZA 2008, 168 = DB 2008, 228). Zu Recht weisen Bauer/Arnold (DB 2008, 350, 352) darauf hin, dass in diesem Fall dem Arbeitnehmer-Geschäftsführer das "Filetstück" des Arbeitsrechts – nämlich der allgemeine Kündigungsschutz – fehlt.
Rz. 306
Anders sieht die Rechtslage aus, wenn zwei schuldrechtliche Rechtsverhältnisse (Geschäftsführerdienstverhältnis und ruhendes Arbeitsverhältnis) bestanden. Dafür hat der Geschäftsführer im Einzelnen Tatsachen darzulegen, aus denen sich ergibt, dass eine klar unterscheidbare und trennbare Doppelstellung vorlag (vgl. BAG v. 10.12.1996 – 5 AZB 20/96, NZA 1997, 674 = DB 1997, 833).
Rz. 307
Bisher nicht ausdrücklich entschieden ist der Fall der Drittanstellung im Konzern, wenn der Geschäftsführer einer Konzerntochtergesellschaft (nur) in einem Arbeitsverhältnis zur Konzernmuttergesellschaft steht. Unstreitig ist nach ständiger höchstrichterlicher Rspr., dass dies zulässig ist (vgl. BAG v. 25.10.2007 – 6 AZR 1045/06, NZA 2008, 168 = DB 2008, 355 m.w.N.). Für das Arbeitsverhältnis zur Konzernmuttergesellschaft gilt allerdings § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG nicht, da der Geschäftsführer nicht deren Geschäftsführer, sondern der Geschäftsführer der Tochtergesellschaft ist. Der Geschäftsführer der Tochtergesellschaft ist nicht einmal mittelbarer Geschäftsführer der Muttergesellschaft, was das BAG bei der GmbH & Co. KG ausreichen lässt (vgl. BAG v. 20.8.2003 – 5 AZB 79/02, NZA 2003, 1108 = DB 2003, 2183). Dies bedeutet, dass die entscheidende Voraussetzung des § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG, d.h. das Bestehen eines unmittelbaren oder zumindest mittelbaren Organverhältnisses zu der Gesellschaft, zu der ein Anstellungsverhältnis besteht, nicht gegeben ist. Damit ist die Anwendung der §§ 1 ff. KSchG nicht ausgeschlossen. Es besteht Kündigungsschutz (vgl. ebenso Bauer/Arnold, DB 2008, 350, 352).