Peter Houben, Dr. iur. Martin Schimke
a) Geschäftsführer als Verbraucher – Kontrollfähigkeit der Vertragsbedingungen
Rz. 196
Die AGB-Kontrolle des Geschäftsführervertrages ist nach den §§ 305 ff. BGB eröffnet, wenn die GmbH dem Geschäftsführer für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen bei Abschluss des Vertrages stellt. Die Anwendbarkeit folgt aus § 305 Abs. 1 S. 1 BGB.
Rz. 197
Die in der Praxis vielfach strittige Frage, ob es sich im konkreten Einzelfall um für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen handelt, hat das BAG in seiner Entscheidung vom 19.5.2010 offengelassen und den Geschäftsführervertrag als Verbrauchervertrag i.S.v. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB eingestuft (vgl. BAG v. 19.5.2010 – 5 AZR 253/09, juris). Dies führt zu einer umfassenden AGB-Kontrolle des GF-Vertrags. Damit erfolgt nach der Rspr. des BAG eine Erweiterung des Anwendungsbereichs der Allgemeinen Geschäftsbedingungen über § 310 Abs. 3 BGB. Denn der Fremdgeschäftsführer einer GmbH, der nicht zugleich als Gesellschafter über zumindest eine Sperrminorität verfügt und Leitungsmacht über die Gesellschaft ausüben kann, handelt bei Abschluss seines Geschäftsführer-Anstellungsvertrages als Verbraucher i.S.d. § 13 BGB. Selbst bei nur einmaliger Verwendung des Geschäftsführervertrages durch die GmbH liegt ein Verbrauchervertrag vor, soweit der Geschäftsführer aufgrund der Vorformulierung auf ihren Inhalt keinen Einfluss nehmen konnte. Die Möglichkeit der Einflussnahme muss sich auf die konkrete Klausel des Vertrages beziehen. Der Verwender muss die Klauseln ernsthaft zur Disposition stellen, was sich in der Regel in Änderungen des vorformulierten Textes niederschlägt (vgl. Moll, Münchener Anwaltshandbuch Arbeitsrecht, § 80 Rn 43). Vorformulierte Bedingungen in einem Vertragswerk, die nicht ausgehandelt wurden, bleiben kontrollfähige "Allgemeine Geschäftsbedingungen" (vgl. BAG v. 19.5.2010 – 5 AZR 253/09, NZA 2010, 939 = DB 2010, 2048).
Rz. 198
Ist die Möglichkeit der Einflussnahme streitig, muss der Verwender nach den Grundsätzen der abgestuften Darlegungslast den Vortrag des Verwendungsgegners, er habe keine Einflussmöglichkeit gehabt, qualifiziert bestreiten, indem er konkret darlegt, wie er Klauseln zur Disposition gestellt hat und aus welchen Umständen daraus geschlossen werden kann, der Verwendungsgegner habe die Klauseln freiwillig akzeptiert (vgl. BAG v. 19.5.2010 – 5 AZR 253/09, NZA 2010, 939 = DB 2010, 2048 unter Bezug auf BAG v. 25.5.2005, NZA 2005, 1111 = DB 2005, 2136).
Rz. 199
Hinzuweisen ist, dass es sich nicht um eine Entscheidung des an sich zuständigen BGH handelt. Der BGH war nicht zuständig, weil die Parteien im Anstellungsvertrag die Zuständigkeit der ArbG vereinbart hatten. Das BAG ist seiner Linie gefolgt, wonach es zuvor bereits den Arbeitsvertrag als Verbrauchervertrag qualifiziert hatte (vgl. BAG v. 25.5.2006, NZA 2005, 1111 = DB 2005, 2136). Es ist allerdings kaum zu erwarten, dass der BGH eine grds. andere Linie vertreten wird.
Hinweis zur AGB-Kontrolle in GF-Verträgen
In der Praxis hat diese Rechtsprechung dazu geführt, dass in stärkerem Maß als zuvor Geschäftsführerverträge zur Risikominimierung sehr individuell ausgehandelt werden. Je interessierter die GmbH an der Gewinnung des Geschäftsführers ist, umso relevanter ist dies.
b) Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG)
Rz. 200
Gem. § 6 Abs. 3 AGG gelten die Vorschriften des 2. Abschnitts des AGG zum Schutz der Beschäftigten vor Benachteiligung entsprechend auch für Geschäftsführer, soweit es die Bedingungen für den Zugang zur Erwerbstätigkeit sowie den beruflichen Aufstieg betrifft.
Rz. 201
Ob diese beschränkte Anwendung des AGG bei Geschäftsführern europarechtskonform ist, muss nach der Danosa-Entscheidung des EuGH (vgl. EuGH v. 11.11.2010 – Rs. C-232/09, NZA 2011, 143 = DB 2011, 2270, s.o. Rdn 162 unwirksame Abberufung einer schwangeren Geschäftsführerin) für den Fall einer Trennung bezweifelt werden (ebenso Bauer, GWR 2010, 586). In der Tendenz ist davon auszugehen, dass aufgrund dieser EuGH-Rspr. das AGG umfassend auf GmbH-GF Anwendung finden wird.
Rz. 202
Die neuere Entwicklung bestätigt die vorgenannte, in den Vorauflagen bereits beschriebene Tendenz. Denn nach der aktuellen Rechtsprechung des BGH ist der Fremdgeschäftsführer einer GmbH bei europarechtskonformer Auslegung jedenfalls insoweit als Arbeitnehmer i.S.v. § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AGG anzusehen, wie bei einer Kündigung seines Geschäftsführerdienstvertrags der sachliche Anwendungsbereich des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes über § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG eröffnet ist (vgl. BGH v. 26.3.2019 – II ZR 244/17, juris). Damit war im Entscheidungsfall die Kündigung letztlich unwirksam wegen Altersdiskriminierung. Der BGH hob die Vorinstanz auf und verwies die Sache zurück an das Berufungsgericht.
Rz. 203
Ferner hat die EuGH-Rechtsprechung eine weitreichende Diskussion zum Umfang der Anwendung von Arbeitnehmerschutzrechten für Fremdgeschäftsführer und Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer ausgelöst (vgl. oben Rdn 162; unten Rdn 238 ff.).
Rz. 204
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