Peter Houben, Dr. iur. Martin Schimke
Rz. 1666
Praktikant ist, wer sich im Rahmen einer geordneten Gesamtausbildung vorübergehend einer betrieblichen Tätigkeit und Ausbildung unterzieht, weil diese Tätigkeit und Ausbildung für die Zulassung zum Studium, zu einer Prüfung oder anderen Zwecken erforderlich ist. Es ist wie folgt zu unterscheiden:
Soweit es sich um Praktikanten handelt, die nicht im Rahmen ihrer Schul-, Fachhochschul- oder Hochschulausbildung ein Praktikum abzuleisten haben, sind sie mit den Volontären vergleichbar. Insoweit kann auf die vorausgegangenen Ausführungen zu den Volontären (s.o. Rdn 1661 ff.) verwiesen werden.
Rz. 1667
Handelt es sich hingegen bei dem Praktikum um einen Bestandteil einer Schul-, Fachhochschul- oder Hochschulausbildung (Fachschul- und Hochschulpraktikanten) ist – anders als bei den Volontären – § 26 BBiG nicht anwendbar (BAG v. 19.6.1974 – 3 AZR 192/07, DB 1974, 1920). Dies hat zur Folge, dass diesen Praktikanten grds. kein Ansprach auf Urlaub, auf Arbeitsentgelt und auf Einhaltung der besonderen Kündigungsschutzbestimmungen nach dem BBiG oder dem KSchG zusteht. Sie sind nicht als Arbeitnehmer anzusehen (LAG Rheinland-Pfalz v. 24.4.2008 – 10 Sa 782/07).
Nach § 22 Abs. 1 MiLoG sind Praktikanten zum Teil von der Anwendbarkeit des MiLoG ausgenommen, nämlich diejenigen, die:
▪ |
ein Praktikum verpflichtend aufgrund einer schulrechtlichen Bestimmung, einer Ausbildungsordnung, einer hochschulrechtlichen Bestimmung oder im Rahmen einer Ausbildung an einer gesetzlich geregelten Berufsakademie leisten, |
▪ |
ein Praktikum von bis zu drei Monaten zur Orientierung für eine Berufsausbildung oder für die Aufnahme eines Studiums leisten, |
ein Praktikum von bis zu drei Monaten begleitend zu einer Berufs- oder Hochschulausbildung leisten, wenn nicht zuvor ein solches Praktikumsverhältnis mit demselben Ausbildenden bestanden hat. Nach der Legaldefinition in § 22 Abs. 1 MiLoG ist Praktikantin oder Praktikant unabhängig von der Bezeichnung des Rechtsverhältnisses, wer sich nach der tatsächlichen Ausgestaltung und Durchführung des Vertragsverhältnisses für eine begrenzte Dauer zum Erwerb praktischer Kenntnisse und Erfahrungen einer bestimmten betrieblichen Tätigkeit zur Vorbereitung auf eine berufliche Tätigkeit unterzieht, ohne dass es sich dabei um eine Berufsausbildung im Sinne des Berufsbildungsgesetzes oder um eine damit vergleichbare praktische Ausbildung handelt.
Rz. 1668
Ob Fachhochschul- und Hochschulpraktikanten unter das BetrVG fallen, ist str. Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 BetrVG sind Arbeitnehmer i.S.d. Gesetzes – und somit auch nach § 9 BetrVG – Arbeiter und Angestellte einschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten. Der Begriff der "Berufsausbildung" in § 5 Abs. 1 S. 1 BetrVG deckt sich nicht mit demjenigen des BBiG, sondern ist weiter gefasst. Darunter fallen alle Maßnahmen, die auf betrieblicher Ebene berufliche Kenntnisse vermitteln, sodass auch Praktikanten Arbeitnehmer i.S.d. BetrVG sein können (BAG v. 15.3.2006, EzAÜG BetrVG Nr. 93; BAG v. 30.10.1991, AP BetrVG 1972 § 5 Ausbildung Nr. 2).
Rz. 1669
Dabei sind der Umfang und die Tiefe der vermittelten Kenntnisse und Fähigkeiten nicht entscheidend. Ebenso wenig kommt es auf die Dauer eines Praktikums an, sodass auch kurzfristige Bildungsmaßnahmen als Berufsausbildung i.S.v. § 5 Abs. 1 S. 1 BetrVG anzusehen sind. Zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigte i.S.v. § 5 Abs. 1 BetrVG können allerdings nur solche Personen sein, mit denen der Ausbildende einen privatrechtlichen Vertrag geschlossen hat, der die Beschäftigung zum Zwecke der Berufsausbildung zum Inhalt hat (BAG v. 13.5.1992, BAGE 70, 215; BAG v. 21.7.1993, BAGE 74, 1).