Peter Houben, Dr. iur. Martin Schimke
Rz. 1672
Liegt nur eine geringfügige Beschäftigung i.S.d. § 8 Abs. 1 SGB IV vor, besteht eine Versicherungsfreiheit sowohl in der gesetzlichen Renten- und Arbeitslosenversicherung als auch in der Kranken- und Pflegeversicherung. Dieser Grundsatz erfährt im Bereich der Krankenversicherung aber in den Fällen eine Einschränkung, in denen der geringfügig Beschäftige bereits aufgrund anderer Tatbestände freiwillig oder gesetzlich krankenversichert ist und es sich bei der geringfügigen Beschäftigung um eine solche nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV – sog. Entgeltgeringfügigkeit – handelt. In diesen Fällen bestimmt § 249b SGB V für die gesetzliche und § 240 SGB V für die freiwillige Krankenversicherung, dass der Arbeitgeber einen bestimmten Prozentsatz als pauschalen Arbeitgeberbeitrag zur bestehenden Krankenversicherung zu zahlen hat, derzeit 13 % bzw. 5 % bei geringfügig Beschäftigten in privaten Haushalten, vgl. § 249b SGB V.
Rz. 1673
Auf die grds. gem. § 5 Abs. 2 S. 1 SGB VI bestehende Rentenversicherungsfreiheit kann der geringfügig Beschäftigte einer entgeltlichen Geringfügigkeit gem. § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV verzichten. Eine solche dem Arbeitgeber ggü. schriftlich abzugebende Verzichtserklärung beseitigt die Versicherungsfreiheit für die Zukunft. Der Arbeitnehmer erwirbt ab dem Zeitpunkt der Verzichtserklärung Ansprüche aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Die zu zahlenden Beiträge zahlt der Arbeitgeber i.H.v. derzeit 13 % des der Beschäftigung zugrunde liegenden Arbeitsentgelts, i.Ü. der geringfügig Beschäftigte selbst, § 168 Abs. 1 Nr. 1b SGB VI. Übt der Arbeitnehmer den Verzicht nicht aus und ist er daher gem. § 5 Abs. 2 S. 1 SGB VI versicherungsfrei, bleibt der Arbeitgeber gleichwohl verpflichtet, einen pauschalierten Anteil von derzeit 15 % des Arbeitsentgelts aus der versicherungsfreien Beschäftigung an die Rentenversicherung zu zahlen. Auf die Verzichtsmöglichkeit hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmer hinzuweisen.
Wird die Geringfügigkeitsgrenze des § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV durch die Zusammenrechnung mehrerer geringfügigen Beschäftigungen gem. § 8 Abs. 2 S. 1 SGB IV überschritten und tritt infolgedessen Sozialversicherungspflicht ein, beginnt diese – entgegen den Richtlinien der Spitzenverbände der Krankenkassen, der Deutsche Rentenversicherung und der BA (Geringfügigkeits-RL, dort Nr. B 5.3, S. 3) – nicht rückwirkend ab dem Zeitpunkt der Aufnahme der schädlichen weiteren geringfügigen Beschäftigung, sondern nach § 8 Abs. 2 S. 3 SGB IV erst mit dem Tag der Bekanntgabe des die Versicherungspflicht feststellenden Bescheides durch die Einzugsstelle oder einen Träger der Rentenversicherung (vgl. LSG Baden-Württemberg v. 9.4.2008 – L 5 R 2125/07; LSG Bayern v. 22.10.2008 – L 13 KN 16/08). Dies gilt auch dann, wenn dem Arbeitgeber vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten vorgeworfen werden kann.