aa) Arbeitgeberfunktion

 

Rz. 148

Die Anstellung des Geschäftsführers erfolgt nach der Rspr. des BGH durch Abschluss eines (Geschäftsführer-) Dienstvertrages (vgl. BGH v. 10.5.2010 – II ZR 70/09, juris Rn 7). Das Anstellungsverhältnis des GmbH-Geschäftsführers zur GmbH sei notwendig ein freies Dienstverhältnis, da mit der Organstellung (= Ausübung der Arbeitgeberfunktion, BGH v. 10.9.2001 – II ZR 14/00) die Arbeitnehmereigenschaften von vornherein unvereinbar seien (vgl. BGH v. 26.3.2019 – II ZR 244/17, juris Rn 27). Dieser Dienstvertrag mit Geschäftsbesorgungscharakter gem. §§ 611 ff., 675 BGB (vgl. BGH v. 10.5.2010 – II ZR 70/09, juris Rn 7; BGH v. 9.2.1978 – II ZR 189/76, DB 1978, 878 = AP Nr. 1 zu § 38 GmbHG; BGH v. 7.12.1987, DB 1988, 387 = GmbHR 1988, 138) verpflichtet zum einen den Geschäftsführer zur Übernahme der Organstellung, zum anderen legt er die persönlichen Rechte und Pflichten, d.h. insb. die Aufgaben, Verantwortlichkeiten und Ansprüche des Geschäftsführers ggü. der GmbH bzw. der GmbH & Co. KG, im Einzelnen fest.

bb) Vereinbarung arbeitsrechtlichen Kündigungsschutzes

 

Rz. 149

Obwohl der BGH stets den Geschäftsführer aufgrund seiner Organstellung als Repräsentant und Arbeitgeber der GmbH sieht, was die Arbeitnehmereigenschaft nach dieser Sichtweise ausschließt, lässt der BGH die Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes auf das Dienstverhältnis des Geschäftsführers zu, soweit die Vertragsparteien die Anwendung der materiellen Regeln des Kündigungsschutzgesetzes vereinbaren (vgl. BGH v. 10.5.2010 – II ZR 70/09; vgl. ferner zur Anwendbarkeit des KSchG aufgrund Auslegung einzelner vertraglicher Regelungen Ginal/Heinemann-Diehl, GWR 2014, 408 ff., 410 m.w.N.).

 

Rz. 150

Die Vertragspartner können auch bei einem freien Dienstvertrag wirksam vereinbaren, dass arbeitsrechtliche Regeln gelten sollen. Der übereinstimmende Wille der Vertragsparteien kann sich in der Weise auch auf die in § 14 Abs. 2 S. 2, § 9 Abs. 1 S. 2, § 10 KSchG geregelte Möglichkeit der Vertragsauflösung beziehen, dass der Gesellschaft im Fall einer wegen fehlender materieller Rechtfertigung unwirksamen Kündigung das Recht eingeräumt werden soll, durch einseitige Erklärung das Anstellungsverhältnis gegen Gewährung einer angemessenen Abfindung aufzuheben, deren Höhe im Rahmen des § 10 KSchG nach Maßgabe der §§ 315 ff. BGB zu bestimmen ist (vgl. BGH v. 10.5.2010 – II ZR 70/09, juris Rn 15).

cc) Schutz gegen altersdiskriminierende Kündigungen

 

Rz. 151

Der BGH entschied ferner, dass bei einer erneuten Bewerbung eines 62-jährigen Geschäftsführers nach Auslaufen seiner bisherigen befristeten GF-Vertrages gem. § 6 Abs. 3 AGG die Vorschriften des Abschnitts 2 des AGG und § 22 AGG entsprechend anzuwenden seien. Ausdrücklich offen ließ der BGH in dieser Entscheidung, ob ein Fremdgeschäftsführer, der nicht an der GmbH beteiligt ist, im Wege der Auslegung des § 6 Abs. 1 AGG als Beschäftigter, insbesondere als Arbeitnehmer im Sinne dieser Vorschrift, angesehen werden kann (vgl. BGH v. 23.4.2012 – II ZR 163/10). Dies hat der BGH inzwischen konkretisiert. Der Fremdgeschäftsführer einer GmbH ist bei europarechtskonformer Auslegung jedenfalls insoweit als Arbeitnehmer i.S.v. § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AGG anzusehen, wie bei einer Kündigung seines Geschäftsführerdienstvertrags der sachliche Anwendungsbereich des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes über § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG eröffnet ist. Der für Arbeitnehmer geltende Schutz gegenüber altersdiskriminierenden Kündigungen gilt daher auch für die Organe einer juristischen Person (vgl. BGH v. 26.3.2019 – II ZR 244/17, juris). Insgesamt stärkt der BGH in seiner jüngsten Rechtsprechung damit die (Schutz-) Rechte des (Fremd-) Geschäftsführers (s. zur GF-Vertragsgestaltung unten Rdn 196 ff.).

dd) Schutz wie ein Arbeitnehmer im Insolvenzfall

 

Rz. 152

Bereits im Jahr 2003 hat der BGH entschieden, dass im Insolvenzrecht der Fremd-Geschäftsführer einer GmbH ohne wesentliche Kapitalbeteiligung als Arbeitnehmer behandelt werden kann. Dies ist dann der Fall, wenn er sich trotz seiner Stellung als Geschäftsführer in persönlicher Abhängigkeit von der Gesellschaft befunden hat. Die Gehaltsansprüche des Geschäftsführers können dann bevorrechtigte Forderungen sein (vgl. BGH v. 23.1.2003 – IX ZR 39/02).

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?