aa) Neuwahl des Betriebsrats

 

Rz. 866

Die Erhöhung der Zahl der im Betrieb i.d.R. beschäftigten Arbeitnehmer um die sog. Freien Mitarbeiter/Scheinselbstständigen kann z.B. dazu führen, dass die Arbeitnehmer erstmals die Wahl eines Betriebsrates/Betriebsobmanns oder die Erhöhung der Zahl der Betriebsratsmitglieder verlangen, weil die Zahl von fünf bzw. 21, 51 usw. wahlberechtigten Arbeitnehmern gem. § 9 BetrVG erreicht wird, d.h. die entsprechenden Schwellenwerte überschritten werden (vgl. LAG Hamburg v. 26.4.2012 – 7 TaBV 14/11, juris geschätzte 350 freie Mitarbeiter). Das Überschreiten von i.d.R. mehr als 100 ständig beschäftigten Arbeitnehmern bedeutet, dass ein Wirtschaftsausschuss gem. § 106 BetrVG zu bilden ist. Soweit der Betrieb jetzt i.d.R. mehr als 20 wahlberechtigte Arbeitnehmer hat, gelten bei Betriebsänderungen die §§ 111 ff. BetrVG. Stellt sich heraus, dass durch eine unrichtige Beurteilung eines Arbeitnehmers als freier Mitarbeiter bei einer Betriebsratswahl gegen das aktive oder passive Wahlrecht einzelner Arbeitnehmer gem. §§ 7, 8 BetrVG oder gegen die Zahl der gem. § 9 BetrVG zu wählenden Betriebsratsmitglieder verstoßen wurde, kann sich unter Umständen die Notwendigkeit ergeben, eine aufgrund Anfechtung unwirksame Betriebsratswahl wiederholen zu müssen (vgl. BAG v. 21.7.2004 – 7 ABR 38/03; BAG v. 30.10.1991 – 7 ABR 19/91, DB 1992, 742 = NZA 1992, 407; BAG v. 29.5.1991, DB 1992, 46 = NZA 1992, 36; LAG Frankfurt am Main v. 10.12.1985 – 15/5 TaBV 50/85, n.v.; Kunz/Kunz, DB 1993, 326, 328 Fn 19 m.w.N.).

bb) Zustimmungspflichtige Einstellung

 

Rz. 867

Eine Besonderheit besteht bei der Einstellung von Freien Mitarbeitern in Bezug auf die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates gem. § 99 BetrVG. Grds. bezieht sich das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats (nur) auf die Einstellung von Arbeitnehmern und nicht auf die Beschäftigung eines Freien Mitarbeiters (ebenso Hromadka, Anm. zu BAG v. 27.7.1993, SAE 1994, 133). Nach st. Rspr. des BAG liegt jedoch eine zustimmungspflichtige Einstellung bereits dann vor, wenn Personen in den Betrieb eingegliedert werden, um zusammen mit den dort schon beschäftigten Arbeitnehmern den arbeitstechnischen Zweck des Betriebes durch weisungsgebundene Tätigkeit zu verwirklichen. Auf das Rechtsverhältnis, in dem diese Personen zum Arbeitgeber als Betriebsinhaber stehen, kommt es nicht an (vgl. BAG v. 18.10.1994 – 1 ABR 9/94, BB 1995, 518 = SAE 1996, 157; BAG v. 30.8.1994, NZA 1995, 649 = SAE 1995, 289; BAG v. 27.7.1993, NZA 1994, 92 = SAE 1994, 129). Damit kann im Einzelfall das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates auch für die eventuelle Einstellung freier Mitarbeiter gelten. Begründet wird dies damit, dass i.R.d. § 99 BetrVG der Grund für die Mitbestimmungspflicht nicht die vom Betriebsrat zu wahrenden Interessen der Freien Mitarbeiter sind, sondern die Interessen der Belegschaft. Allerdings sind die Voraussetzungen der Eingliederung streng. Dem Arbeitgeber des Beschäftigungsbetriebes muss wenigstens ein Teil des Weisungsrechtes zustehen, kraft dessen er für ein Arbeitsverhältnis typische Entscheidungen über den Arbeitseinsatz zu treffen hat. Nach BAG (v. 30.8.1994 – 1 ABR 3/94, NZA 1995, 649) sind bei der Beschäftigung eines Freien Mitarbeiters oder eines Freien Handelsvertreters diese Voraussetzungen regelmäßig nicht gegeben. Eine Einstellung i.S.v. § 99 BetrVG komme nur bei atypischen Fallgestaltungen in Betracht (vgl. auch für den Einsatz von Fremdpersonal BAG v. 18.10.1994 – 1 ABR 9/94, BB 1995, 518; BAG v. 5.5.1992, DB 1992, 1936 = NZA 1992, 1044; BAG v. 9.7.1991, DB 1992, 327 = NZA 1992, 275 sowie zur Einstellung von Fremdtrainern BAG v. 23.4.1991 – 1 ABR 47/90, n.v.).

cc) Unterrichtung des Betriebsrats

 

Rz. 868

Gleichwohl hat der Betriebsrat nach § 80 Abs. 2 BetrVG Anspruch auf Unterrichtung hinsichtlich der Beschäftigung von Personen, die nicht in einem Arbeitsverhältnis zum Arbeitgeber stehen, also auch bezüglich der Freien Mitarbeiter. Der Arbeitgeber schuldet insoweit diejenigen Angaben, die der Betriebsrat benötigt, um beurteilen zu können, ob und inwieweit Mitbestimmungsrechte in Betracht kommen.

 

Praxishinweis zur Unterrichtungspflicht

Mit Wirkung zum 1.4.2017 hat der Gesetzgeber in § 80 Abs. 2 BetrVG n.F. und § 92 Abs. 1 S. 1 BetrVG n.F. den Inhalt der bereits bestehenden Informationsrechte des Betriebsrats über den Einsatz von Personen, die nicht im Arbeitsverhältnis zum Arbeitgeber des Betriebes stehen, gesetzlich klargestellt (vgl. BT-Drucks 18/9232, 16, Begründung A II).

In § 80 Abs. 2 S. 1 und 3 BetrVG n.F. (Allgemeine Aufgaben des Betriebsrats) präzisiert der Gesetzgeber die erforderlichen Angaben durch Ergänzungen des Gesetzestextes. Danach umfasst die Unterrichtungspflicht durch den Arbeitgeber in § 80 Abs. 2 S. 1 BetrVG n.F. insbesondere den zeitlichen Umfang des Einsatzes, den Einsatzort und die Arbeitsaufgaben dieser Personen. Nach dem neu in das Gesetz eingefügten § 80 Abs. 2 S. 3 BetrVG n.F. gehören zu den erforderlichen Unterlagen, die dem Betriebsrat auf Verlangen zur Verfügung zu stellen sind, auch die Verträge, die der Beschäftigung der in S. 1 gen...

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