Peter Houben, Dr. iur. Martin Schimke
Rz. 1470
Als Nebenpflichten obliegen dem Außendienstmitarbeiter wie dem Handelsvertreter ausgeprägte Interessenwahrnehmungs- und Sorgfaltspflichten. Zu ihnen gehören umfassende Berichts- und Informationspflichten (Küstner/Thume/Castelletti, HdB-VertR, Bd. III, Kap. 3 Rn 8 ff.). Die angestellte Vertriebskraft muss ihrem Arbeitgeber alles mitteilen, was für diesen von Interesse oder Bedeutung ist (MüKo/Ströbl, § 86 HGB Rn 48). So muss sie z.B. im Rahmen der ihr zustehenden Möglichkeiten die Bonität der Kunden beobachten und den Arbeitgeber über ihre Erkenntnisse informieren. Der Umfang der Interessenwahrnehmungspflichten richtet sich grds. nach dem Maß der dem Arbeitnehmer übertragenen Verantwortung und dem bestehenden Vertrauensverhältnis, was im Recht der Vertriebspersonen schon aufgrund der größeren Selbstständigkeit, mit der die angestellten Vertriebskräfte ihre Tätigkeiten ausüben, besonders beurteilt werden muss. Die Annahme von Schmiergeldern ist verboten (vgl. BAG v. 26.2.1971 – 3 AZR 97/70, BB 1971, 913).
Rz. 1471
Ggf. kann den Arbeitnehmer auch ohne ein entsprechendes Verlangen des Arbeitgebers die Pflicht treffen, Auskünfte über bestimmte Umstände eines Geschäftes zu erteilen, z.B. wenn sich Schwierigkeiten ergeben oder der Kunde bestimmte Wünsche äußert (Küstner/Thume/Castelletti, HdB-VertR, Bd. III, Kap. 3 Rn 19). Der Umfang der Berichtspflicht folgt aus der Besonderheit des jeweiligen Geschäftes. Maßgeblich ist, welche Informationen erforderlich sind, um dem Arbeitgeber ein abschließendes Bild über sämtliche für den Geschäftsabschluss bedeutsamen Umstände zu verschaffen. Ferner sind alle Informationen beizubringen, die der Arbeitgeber für seine produktions- und vertriebspolitischen Entscheidungen benötigt.
Rz. 1472
Außerdem hat der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber ggü. solche Umstände zu offenbaren, die die zukünftige ordnungsgemäße Erfüllung der vertraglichen Pflichten behindern könnten, wie z.B. der Verlust des Führerscheins oder die Erwerbstätigkeit beeinträchtigende gesundheitliche Probleme.
Rz. 1473
Dass die angestellte Vertriebskraft in entsprechender Anwendung des § 90 HGB eine Verschwiegenheitspflicht über alle Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse trifft, die ihr anvertraut oder sonst durch ihre Tätigkeit für den Arbeitgeber bekannt geworden sind, wie z.B. Kundendaten, deren Kenntnis durch Dritte sich für den Arbeitgeber nachteilig auswirken und seine Interessen gefährden könnten (LAG Nürnberg v. 28.4.1986 – 3 Sa 10/86, EversOK Ls. 6), dürfte nach Inkrafttreten des GeschGehG nicht mehr anzunehmen sein. Mangels Übergangsvorschrift richtet sich der zivilrechtliche Geheimnisschutz seit dem 26.4.2019 nach dem GeschGehG, weil dieses am Tag nach der Verkündung in Kraft getreten ist (LAG Düsseldorf v. 3.6.2020 – 12 SaGa 4/20, EversOK Ls. 34). Ist das Arbeitsverhältnis zwar nach Inkrafttreten des GeschGehG beendet worden, hat der Arbeitgeber der Vertriebskraft Kundenlisten jedoch vor dem 26.4.2019 übergeben und hat der Arbeitnehmer auch vor diesem Datum begonnen, private Aufzeichnungen von den Daten zu fertigen, bedeutet dies für den in die Zukunft gerichteten Unterlassungsanspruch, dass er nur besteht, wenn das beanstandete Wettbewerbsverhalten der Vertriebskraft zu der Zeit, zu der es erfolgt ist, solche Ansprüche begründet hat und diese Ansprüche auch auf der Grundlage der nunmehr geltenden Rechtslage noch gegeben sind (LAG Düsseldorf v. 3.6.2020 – 12 SaGa 4/20, EversOK Ls. 35). Dies wird man auch für den Beseitigungsanspruch nach § 6 GeschGehG und den Schadensersatzanspruch nach § 10 GeschGehG anzunehmen haben. Fallen die Tathandlungen der unzulässigen Verschaffung von Geschäftsgeheimnissen und der nachvertraglichen Verwertung derselben auseinander und liegt die Verschaffung vor dem 26.4.2019, so ist eine doppelte Prüfung nach altem und neuen Recht erforderlich.
Ein Betriebsgeheimnis lag nach altem Recht vor, wenn Tatsachen im Zusammenhang mit einem Geschäftsbetrieb, die nur einem eng begrenzten Personenkreis bekannt und nicht offenkundig sind, nach dem Willen des Arbeitgebers aufgrund eines berechtigten wirtschaftlichen Interesses geheim gehalten werden (vgl. BGH v. 27.4.2006 – I ZR 126/03, NJW 2006, 3424; BAG v. 16.3.1982, BB 1982, 1792). Wesentliches Erfordernis für das Vorliegen eines Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisses war nicht die geheim gehaltene Tatsache, sondern der Umstand, dass die Beziehung des Geheimnisses zum Geschäftsbetrieb nur einem begrenzten Personenkreis bekannt ist. Diese Voraussetzung war z.B. bei Kundenadressen gegeben (BGH v. 19.12.2002 – I ZR 119/00, EversOK Ls. 3), wenn es sich bei ihnen nicht um eine lediglich abstrakte Zusammenstellung potenzieller Interessenten handelte, sondern um Kunden, mit denen der Unternehmer geschäftliche Beziehungen unterhält, die daher auch in Zukunft als Abnehmer infrage kommen (BGH v. 26.2.2009 – I ZR 28/06, EversOK Ls. 8). Es sollte aber ausreichen, wenn sich der Geheimhaltungswille aus der Natur der geheim gehaltenen Tatsache ergibt. Bei nic...