Peter Houben, Dr. iur. Martin Schimke
aa) Geschäftsführeramt
Rz. 153
Nach der Rspr. des BAG wird der Geschäftsführer einer GmbH für diese in aller Regel ebenfalls auf der Grundlage eines freien Dienstvertrags, nicht eines Arbeitsvertrags tätig (vgl. BAG v. 8.2.2022 – 9 AZB 40/21, juris Ls. 2 und Rn 22; BAG v. 11.6.2020 – 2 AZR 374/19, juris Rn 25). Sein Dienstvertrag ist auf eine Geschäftsbesorgung durch Ausübung des Geschäftsführeramts gerichtet (vgl. BAG v. 21.1.2019 – 9 AZB 23/18, juris Rn 24).
bb) Extreme Ausnahmefälle – arbeitsrechtliche Weisungsgebundenheit
Rz. 154
Allerdings kann die Bestellung zum Geschäftsführer einer GmbH auch auf einem Arbeitsvertrag beruhen (vgl. BAG v. 26.10.2012 – 10 AZB 60/12; zustimmend OLG München, 27.10.2014 – 7 W 2097/14; vgl. ferner zum Rechtsweg BAG v. 8.2.2022 – 9 AZB 40/21, juris; BAG v. 22.10.2014 – 10 AZB 46/14; BAG v. 3.12.2014 – 10 AZB 98/14 und unten Rdn 367 ff.). Dies gelte allerdings allenfalls in extremen Ausnahmefällen (vgl. BAG v. 8.2.2022 – 9 AZB 40/21, juris Rn 22; BAG v. 27.4.2021 – 2 AZR 540/20, juris Rn 20; BAG v. 11.6.2020 – 2 AZR 374/19, juris Rn 25; BAG v. 21.1.2019 – 9 AZB 23/18, juris Rn 24; BAG v. 24.11.2005, NZA 2006, 366 = DB 2006, 728 [BAG v. 24.11.2005 – 2 AZR 614/04]). In Betracht kommt dies, wenn der Geschäftsführer bei seiner Tätigkeit einem arbeitsrechtlichen Weisungsrecht i.S.v. § 611a Abs. 1 S. 1 und S. 2 BGB unterliegt (vgl. BAG v. 11.6.2020 – 2 AZR 374/19 Rn 26).
cc) Regelfall – unternehmerische Weisungsgebundenheit
Rz. 155
Unterliegt der Geschäftsführer hingegen nicht einem arbeitsrechtlichen Weisungsrecht, sondern vielmehr (nur) einem unternehmerischen Weisungsrecht i.S.v. § 37 Abs. 1 GmbHG, bleibt es bei dem Grundsatz, dass der Geschäftsführer einer GmbH für diese in aller Regel auf der Grundlage eines Dienstvertrags, nicht eines Arbeitsvertrags tätig wird. Dies gelte unabhängig davon, ob der (Fremd-) Geschäftsführer einen starken Anteilseigner, Mitgeschäftsführer etc. neben sich hat, der die konkrete Geschäftstätigkeit bestimmend mitgestaltet. Es komme insoweit nicht entscheidend darauf an, welchen Gebrauch der GmbH-Geschäftsführer im Innenverhältnis nach § 37 Abs. 1 GmbHG von seiner im Außenverhältnis wegen §§ 44, 35, 37 Abs. 2 GmbHG unbeschränkten Vertretungsberechtigung machen darf. § 37 Abs. 1 GmbHG sei eine Norm zur Abgrenzung der Kompetenzen der Gesellschaftsorgane untereinander. Ein unternehmerisches Weisungsrecht habe die Gesellschaft auch ggü. einem Geschäftsführer als freiem Dienstnehmer (vgl. BAG v. 26.5.1999 – 5 AZR 664/98, NZA 1999, 987 = DB 1999, 1906). Berücksichtige man, dass der Gesellschaft jedenfalls ein unternehmerisches Weisungsrecht zustehe, könne eine Weisungsgebundenheit des GmbH-Geschäftsführers, die so stark sei, dass sie darüber hinaus auf einen Status des betroffenen GmbH-Geschäftsführers als Arbeitnehmer schließen lässt, allenfalls in extremen Ausnahmefällen in Betracht kommen (vgl. BAG v. 8.2.2022 – 9 AZB 40/21, juris Rn 22; BAG v. 27.4.2021 – 2 AZR 540/20 Rn 20; BAG v. 24.11.2005 – 2 AZR 614/04, NZA 2006, 366 = DB 2006, 728). Dies würde voraussetzen, dass die Gesellschaft eine – über ihr gesellschaftliches Weisungsrecht hinausgehende – Weisungsbefugnis auch bezüglich der Umstände hat, unter denen der Geschäftsführer seine Leistung zu erbringen hat, und die konkreten Modalitäten der Leistungserbringung durch arbeitsbegleitende und verfahrensorientierte Leistungen bestimmen kann (vgl. BAG v. 8.2.2022 – 9 AZB 40/21, juris Rn 22; BAG v. 21.1.2019 – 9 AZB 23/18, juris Rn 24).
Rz. 156
Bereits früher hatte das BAG den Standpunkt vertreten, dass durch den Anstellungsvertrag i.d.R. zwar materiell-rechtlich ein freies Dienstverhältnis begründet werde, dies gelte aber nicht stets. Ob das Anstellungsverhältnis ein Arbeitsverhältnis sei, hänge nicht vom Umfang der Vertretungsbefugnis im Innenverhältnis nach § 37 Abs. 1 GmbHG ab, sondern richte sich nach den allgemeinen Kriterien zur Abgrenzung vom freien Dienstverhältnis. Ein Arbeitsverhältnis liege demnach nur dann vor, wenn die Gesellschaft dem Geschäftsführer auch arbeitsbegleitende und verfahrensorientierte Weisungen erteilen und auf diese Weise die konkreten Modalitäten der Leistungserbringung bestimmen kann (vgl. BAG v. 26.5.1999 – 5 AZR 664/98, NZA 1999, 987 = DB 1999, 1906 stellv. GmbH-Geschäftsführerin; BAG v. 6.5.1999, DB 1999, 1708 = NJW 1999, 3069).
dd) Negative Fiktion des § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG
Rz. 157
Bezogen auf die stets aktuelle Frage des Kündigungsschutzes für Fremdgeschäftsführer enthält nach der Rechtsprechung des 2. Senats des BAG (vgl. BAG v. 11.6.2020 – 2 AZR 374/19, juris Rn 16; BAG v. 21.9.2017 – 2 AZR 865/16, juris Rn 12) das Kündigungsschutzgesetz in § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG eine negative Fiktion, wonach die Vorschriften des ersten Abschnitts des Kündigungsschutzgesetzes nicht in Betrieben einer juristischen Person für die Mitglieder des Organs, das zur gesetzlichen Vertretung der juristischen Person berufen ist, gelten. Danach scheidet der Kündigungsschutz des § 1 KSchG für Geschäftsführer aus. Dieser Grundsatz komme auch und gerade dann zum Tragen, wenn das der Organstellung zugrunde liegende schuldrechtliche Anstellungsverhältnis materiell-rechtlich als Arbeitsverhält...