Peter Houben, Dr. iur. Martin Schimke
Rz. 965
Für selbstständig Tätige gem. § 2 S. 1 Nr. 9 SGB VI gibt es verschiedene Befreiungsmöglichkeiten von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht.
aa) Befreiungsmöglichkeit für Existenzgründer – erste und zweite Existenzgründung
Rz. 966
Das "Gesetz zur Förderung der Selbstständigkeit" hat einen Befreiungstatbestand für Existenzgründer geschaffen. Danach werden Personen in der Existenzgründungsphase für einen Zeitraum von drei Jahren nach erstmaliger Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht gem. § 6 Abs. 1a S. 1 Nr. 1 SGB VI befreit. Der Beginn des Dreijahreszeitraumes richtet sich nach der erstmaligen Erfüllung der Merkmale des § 2 S. 1 Nr. 9 SGB VI. Erforderlich ist ein Antrag aus dem Formular V0050 der DRV Bund. Erläuterungen enthält das Formular 50051.
Rz. 967
Für eine zweite Existenzgründung kann gem. § 6 Abs. 1a S. 2 SGB VI der dreijährige Befreiungszeitraum erneut in Anspruch genommen werden. Dies gilt nur dann nicht, wenn eine bestehende selbstständige Tätigkeit lediglich umbenannt oder deren Geschäftszweck ggü. der vorangegangenen nicht wesentlich verändert worden ist (§ 6 Abs. 1a S. 3 SGB VI).
Rz. 968
Der Befreiungstatbestand für Existenzgründer berücksichtigt, dass viele Personen, die nach § 2 S. 1 Nr. 9 SGB VI versicherungspflichtig werden, noch während der Existenzgründungsphase aus der Versicherungspflicht herauswachsen, sei es, dass sie alsbald in entsprechendem Umfang Mitarbeiter beschäftigen, oder sei es, dass sie nicht mehr auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen einzigen Auftraggeber tätig sind. Die Befreiung von der Versicherungspflicht trägt i.Ü. den Besonderheiten in der Existenzgründungsphase Rechnung, indem sie ermöglicht, die finanziellen Mittel auf den Aufbau des Betriebes zu konzentrieren. Die Betroffenen sollen daher das Recht haben, sich zeitlich begrenzt von der Versicherungspflicht befreien zu lassen. Die in dem Befreiungsrecht angelegte Wahlmöglichkeit gibt dem Betreffenden die Möglichkeit, seine Entscheidung nach individueller Einschätzung der Entwicklung der selbstständigen Tätigkeit und unter Berücksichtigung etwaiger in der Rentenversicherung bereits erworbener Rechtspositionen (z.B. in Bezug auf den Schutz bei Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit) zu treffen (BT-Drucks 14/1855, 16). Insoweit setzt die Befreiung gem. § 6 Abs. 2 SGB VI einen Antrag bei der Deutschen Rentenversicherung voraus. Den Antrag hat der Existenzgründer zu stellen. Die Befreiung wirkt vom Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen an, wenn sie innerhalb von drei Monaten beantragt wird, sonst von Eingang des Antrags an (§ 6 Abs. 4 SGB VI).
bb) Befreiungsmöglichkeit nach Vollendung des 58. Lebensjahres
Rz. 969
Einen weiteren Befreiungstatbestand gibt § 6 Abs. 1a Nr. 2 SGB VI. Er ermöglicht die endgültige Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht in der Phase des altersbedingten Überganges aus einer selbstständigen Tätigkeit in die Nichterwerbstätigkeit. Diese Phase verläuft häufig über das Zwischenstadium einer selbstständigen Tätigkeit nach § 2 S. 1 Nr. 9 SGB VI, d.h., dass diese Personen ansonsten nach einer zuvor ausgeübten selbstständigen Tätigkeit erstmals nach § 2 S. 1 Nr. 9 SGB VI rentenversicherungspflichtig würden. Diese Selbstständigen sollen das Recht haben, sich von der Versicherungspflicht befreien zu lassen, um ihre bisherige Form der Altersvorsorge außerhalb der Rentenversicherung ausbauen zu können.
Rz. 970
Voraussetzung für diesen Befreiungstatbestand ist, dass die betreffenden Personen nach Vollendung des 58. Lebensjahres im Anschluss an eine zuvor ausgeübte selbstständige Tätigkeit erstmals gem. § 2 S. 1 Nr. 9 SGB VI versicherungspflichtig werden. Die Befreiung erfolgt auf Antrag des Betroffenen nach § 6 Abs. 2 SGB VI. Sie sind damit endgültig und nicht nur vorübergehend von der Rentenversicherungspflicht (nur) für diese Tätigkeit befreit. Die Frist des § 6 Abs. 4 SGB VI ist zu beachten.