Peter Houben, Dr. iur. Martin Schimke
(1) Besonderheiten bei der GmbH & Co. KG – GF bei der GmbH u. Vertrag bei der KG
Rz. 300
Klar geregelt ist der Fall, dass der Geschäftsführer einer Komplementär-GmbH, der seinen Anstellungsvertrag mit der GmbH geschlossen hat, wegen § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG grundsätzlich keinen Kündigungsschutz genießt.
Rz. 301
In der Praxis wird allerdings häufig der Anstellungsvertrag mit der KG (sog. Drittanstellung) statt mit der Komplementär-GmbH geschlossen, weil das gesamte operative Geschäft über die KG läuft und manchmal nicht einmal Briefpapier der Komplementär-GmbH existiert. In diesen Fällen war lange umstritten, ob der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH als Arbeitnehmer der KG mit der Möglichkeit des arbeitsgerichtlichen Rechtsweges ("Kündigungsschutzklage") anzusehen ist oder ihm als gesetzlichem Vertreter der KG i.S.v. § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG der Rechtsweg zum ArbG verwehrt ist. Unter ausdrücklicher Aufgabe seiner früheren Rspr. hat der für Fragen der Rechtswegzuständigkeit allein zuständige 5. Senat des BAG durch Beschl. v. 20.8.2003 entschieden, dass der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH einer KG kraft Gesetzes zur Vertretung dieser Personengesamtheit berufen ist und daher nicht als Arbeitnehmer i.S.d. ArbGG anzusehen ist (vgl. BAG v. 20.8.2003 – 5 AZB 79/02, NZA 2003, 1108 = DB 2003, 2183). Für die Frage des Rechtsweges hat es daher keine unterschiedliche Bedeutung, ob das Vertragsverhältnis des Geschäftsführers mit der GmbH oder der KG geschlossen wurde. § 5 Abs. 3 S. 1 ArbGG gilt in beiden Fällen. Es ist immer das Landgericht zuständig. Diese Besonderheit bei der GmbH & Co. KG ist nicht auf andere Fälle der Drittanstellung übertragbar.
Rz. 302
Der 5. Senat des BAG hatte in dem vorgenannten Beschl. nicht zu entscheiden, ob damit zugleich schon aus arbeitsrechtlichen Gründen ein materieller Kündigungsschutz des Geschäftsführers einer Komplementär-GmbH gem. der für Vertreter einer Personengesamtheit geltenden Ausnahmevorschrift des § 14 Abs. 1 Nr. 2 KSchG generell ausscheidet. Für den in der gleichen Sache dann angerufenen BGH spricht immerhin für die Unanwendbarkeit des materiellen Kündigungsschutzes bei dieser Fallgestaltung, dass § 4 KSchG ersichtlich von einem übereinstimmenden Anwendungsbereich des ArbGG und des KSchG ausgeht, weil gem. § 4 KSchG der materielle Kündigungsschutz eines Arbeitnehmers durch "Anrufung des Arbeitsgerichtes" geltend gemacht werden muss und insoweit eine Ausnahme für Geschäftsführer, welche das ArbG nicht anrufen können, aber dennoch als "Arbeitnehmer" Kündigungsschutz genießen sollen, im Gesetz nicht vorgesehen ist (vgl. BGH v. 8.1.2007 – II ZR 267/05, NZA 2007, 1174 = DB 2007, 1072). Trotz dieser sehr klaren Tendenz ließ der BGH letztendlich die Frage der Anwendung des materiellen Kündigungsschutzes offen, da diese nicht entscheidungserheblich war. Dies lag daran, dass der klagende Geschäftsführer vor der Umwandlung in eine GmbH & Co. KG auch Geschäftsführer der vorherigen GmbH war. Der Kläger konnte deshalb durch die Umwandlung von der GmbH in die GmbH & Co KG nicht einen Kündigungsschutz erlangen, den er vorher nicht hatte (vgl. BGH v. 8.1.2007 – II ZR 267/05, NZA 2007, 1174 = DB 2007, 1072).
Rz. 303
Zuvor schon hatte bereits der 2. Senat des BAG (v. 24.11.2005 – 2 AZR 614/04, NZA 2006, 366 = DB 2006, 728 entschieden, dass in dem Fall des Aufstieges in einer GmbH & Co. KG vom Arbeitnehmer zum Geschäftsführer der persönlich haftenden GmbH das alte Arbeitsverhältnis i.d.R. nicht wieder auflebe, wenn der Geschäftsführer später wieder abberufen wird.
Rz. 304
Vereinbaren die Parteien jedoch nach der Kündigung des Geschäftsführervertrages eine Weiterbeschäftigung des Betreffenden – ohne wesentliche Änderung seiner Arbeitsaufgaben – im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses (vgl. dazu BAG v. 5.6.2008 – 2 AZR 754/06, NZA 2008, 1002 = GmbHR 2008, 1259), so lässt dies mangels abweichender Vereinbarungen regelmäßig auf den Parteiwillen schließen, die Beschäftigungszeit als Geschäftsführer auf das neu begründete Arbeitsverhältnis anzurechnen (vgl. BAG v. 24.11.2005 – 2 AZR 614/04, NZA 2006, 366 = DB 2006, 728, bestätigt ausdrücklich von BAG v. 19.7.2007, NZA 2007, 1095 = DB 2007, 2093).
(2) Besonderheiten im Konzern/Drittanstellung – GF bei der Tochtergesellschaft und Vertrag bei der Muttergesellschaft
Rz. 305
Wird ein bei einer Konzernobergesellschaft beschäftigter Arbeitnehmer zum Geschäftsführer einer konzernabhängigen Tochter-Gesellschaft bestellt, kann der mit der Konzernobergesellschaft abgeschlossene Arbeitsvertrag nach der Rspr. des 6. Senats des BAG ohne Weiteres die schuldrechtliche Rechtsgrundlage für die Organstellung als Geschäftsführer bei der Tochtergesellschaft sein. An der Arbeitnehmereigenschaft ändert sich nichts, soweit durch die Bestellung zum Geschäftsführer der Arbeitsvertrag mit der Obergesellschaft weder aufgehoben noch zum Ruhen gebracht wird (vgl. LAG Köln v. 14.7.2022 – 9 Ta 68/22, juris Rn 25). Der schuldrechtliche Vertrag des Geschäftsführers muss nicht mit der juristischen Person abgeschlossen werden, zu deren Organvertreter er bestellt werden soll (vgl. BAG v. 25.10.2007 – 6 AZR 1045/06, NZA 2008, 168 = DB 2008, 355; BAG v. 24.11.2005, NZA 2006, 366 = DB ...