Peter Houben, Dr. iur. Martin Schimke
Rz. 890
Während das BAG aktuell entschieden hat, dass ein Festgehalt statusneutral sein könne (s. oben Rdn 802), geht das BSG einen anderen Weg (vgl. Rittweger, NJW 2022, 2439, Rn 14/15). Das BSG setzt die Vergütung nach Zeit (Stundenlohn) in Bezug zum Unternehmerrisiko (vgl. BSG v. 19.10.2021 – B 12 R 10/20 R, juris Rn 36 m.w.N.). Dies ist insofern konsequent, da bei festen regelmäßigen Bezügen kein wesentliches Unternehmerrisiko besteht. Eine arbeitszeitorientierte Vergütung ist i.d.R. ein Indiz für eine abhängige Beschäftigung (vgl. LSG Baden-Württemberg v. 24.2.2015 – L 11 R 5165/13). Dies gilt insbesondere, wenn sich die Tätigkeit nahtlos an ein bisher unstreitig abhängig ausgeübtes Beschäftigungsverhältnis anschließt (vgl. LSG Bayern v. 16.5.2018 – L 16 R 5110/16, juris; LSG NRW v. 16.1.2007 – L 11 [16] KR 16/04, LNR 2007, 11085). Auch die Vergütung in Tagesätzen kann gegen eine selbstständige Tätigkeit sprechen (vgl. LSG Baden- Württemberg v. 29.7.2014 – L 9 U 4701/11; LSG Hessen v. 17.12.2009 – L 8 KR 130/07).
Nicht nur die Vergütung an sich sondern auch die Höhe der Vergütung kann eine Rolle für die Statuseinschätzung spielen. Wenn das vereinbarte Honorar deutlich über dem Arbeitsentgelt eines vergleichbar eingesetzten sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten liegt und es dadurch Eigenvorsorge zulasse, sei dies – so das BSG zunächst – ein gewichtiges Indiz für eine selbstständige Tätigkeit (vgl. BSG v. 31.3.2017 – B 12 R 7/15 R, juris Ls; kritisch LSG Niedersachsen-Bremen v. 1.11.2017 – L 2 R 227/17, juris Ls.). Diese Rechtsprechung des BSG "hielt" nur bis zum 7.6.2019 (vgl. ebenso Reiserer, DStR 2020, 1321, 1324):
Denn der 12. Senat des BSG kam in seinem Urt. v. 7.6.2019 (vgl. BSG v.7.6.2019 – B 12 R 6/18 R, juris Rn 34 u. 35; bestätigt durch BSG v. 15.7.2021 – B 12 R 38/20 B, juris Rn 5) – überraschend – zu einem stark relativierenden Ergebnis seiner eigenen Rechtsprechung. Die Honorarhöhe sei nur eines von vielen in der Gesamtwürdigung zu berücksichtigenden Indizien. Diese Einschränkung der indiziellen Bedeutung der Honorarhöhe ergäbe sich daraus, dass die Sozialversicherung auch dem Schutz der Interessen der Mitglieder von in Pflichtversicherungssystemen zusammengeschlossenen Solidargemeinschaften verpflichtet sei. Den Beteiligten stehe keine Dispositionsfreiheit in dem Sinne zu, dass sich der Auftraggeber durch die Vereinbarung eines Zuschlags zu dem üblichen Stundenlohn eines vergleichbaren abhängig Beschäftigten von der Sozialversicherungspflicht "freikaufen" könne. Das Recht der Sozialversicherung werde beherrscht vom Grundsatz der Solidarität aller abhängig Beschäftigten. Dieser Grundsatz schließe es aus, die Versicherungspflicht über die gesetzlich geregelten Tatbestände hinaus von einem individuellen Schutzbedürfnis abhängig zu machen, zumal dieses Schutzbedürfnis sich im Laufe der Zeit wandeln könne. Wenn die Versicherungspflicht solchen Wandlungen folgen würde, wäre die Gefahr einer negativen Risikoauslese gegeben (vgl. BSG v. 7.6.2019 – B 12 R 6/18 R, juris Rn 34 u. 35).