Peter Houben, Dr. iur. Martin Schimke
(aa) Gesetzliche Kündigungsfristen
Rz. 255
Rechtsprechung des BAG
Die gesetzliche Kündigungsfrist für Geschäftsführerdienstverträge, die keine Arbeitsverträge sind, folgt nach der jüngsten Rechtsprechung des 2. Senats des BAG aus § 621 BGB (vgl. BAG v. 11.6.2020 – 2 AZR 374/19, juris Ls.). Diese Rechtsprechung ist überraschend, entspricht nicht der herrschenden Meinung, widerspricht der Rechtsprechung des BGH (vgl. zuletzt BGH v. 20.8. 2019 – II ZR 121/16, juris Rn 34) und passt nicht in das Gefüge. Es überzeugt nicht, dass für die Kündigungsfrist eines GmbH-Geschäftsführers nunmehr maßgeblich sein soll, ob ein Monats- oder ein Jahresgehalt vereinbart wurde, und Verlängerungen der Kündigungsfrist aufgrund Betriebszugehörigkeit bedeutungslos sein sollen (vgl. zum strukturellen Ungleichgewicht oben Rdn 242).
Beispiel
1. |
Nach dieser Rechtsprechung des BAG kann einem Geschäftsführer mit üblicher monatlicher Vergütung, der nach der Rechtsprechung des BAG wegen der negativen Fiktion des § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG keinen Kündigungsschutz nach § 1 KSchG erhält, beispielsweise am 15.12.2023 für den Schluss des Kalendermonats am 31.12.2023, also mit Zwei-Wochen- Frist gekündigt werden. |
2. |
Da die Dauer der Betriebszugehörigkeit keine Rolle spielt, gilt dies auch dann, wenn der Geschäftsführer die Funktion bereits seit zehn, 20 oder 30 Jahren ausübt. |
3. |
Zum Vergleich: Für einen Arbeitnehmer mit 20-jähriger Betriebszugehörigkeit würde eine gesetzliche Kündigungsfrist von sieben Monaten zum Ende eines Kalendermonats gelten. |
Rz. 256
Rechtsprechung des BGH
Nach der Rspr. des BGH gilt indes als Frist für die ordentliche Kündigung des Anstellungsverhältnisses des (Fremd-)Geschäftsführers und des nicht beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführers § 622 Abs. 1 und 2 BGB (vgl. BGH v. 20.8.2019 – II ZR 121/16, juris Rn 34; BGH v. 26.3.1984, BGHZ 91, 217 = NJW 1984, 2528; Henssler/Strohn/Oetker, § 35 GmbHG, Rn 178/179/179a m.w.N.), d.h. die Vier-Wochen-Frist zum 15. oder Ende eines Monats sowie die verlängerte Kündigungsfrist für den Arbeitgeber je nach Betriebszugehörigkeit des Geschäftsführers bis zu sieben Monaten zum Ende eines Kalendermonates ab 20-jähriger Beschäftigung. Es bleibt abzuwarten, ob der BGH der Linie des BAG zu § 621 BGB folgen wird. Zu begrüßen wäre, wenn der BGH bei seiner Linie zu § 622 BGB bliebe, zumal in der Regel ohnehin nicht die Arbeitsgerichtsbarkeit, sondern die ordentliche Gerichtsbarkeit zuständig ist.
(bb) Vertragliche Kündigungsfristen
Rz. 257
Die bereits relativ kurzen Kündigungsfristen des § 622 BGB (nach BGH) – und erst recht die Fristen des § 621 BGB ohne Verlängerung aufgrund Betriebszugehörigkeit (nach BAG) – tragen vielfach weder dem Kontinuitätsinteresse der GmbH noch dem Sicherungsinteresse des Geschäftsführers Rechnung und sollten daher vertraglich abbedungen, also verlängert werden. Dies ist rechtlich unbedenklich. Als unterste Grenze sind in der Praxis sechs Monate Kündigungsfrist zum Monatsende für beide Vertragsparteien relevant, nicht unüblich sind 12 Monate zum Monats- oder ggf. auch zum (Halb-)Jahresende, aber auch längere Kündigungsfristen bis zu zwei Jahren kommen vor (vgl. zur Kündigungsfrist bei Koppelungsklauseln unten Rdn 258 ff.).