Peter Houben, Dr. iur. Martin Schimke
I. Bedeutung der GmbH (und UG)
Rz. 145
Die GmbH ist die in Deutschland am weitesten verbreitete Rechtsform, sei es als reine GmbH oder als Komplementärin der GmbH & Co. KG. Existierten Anfang 1990 lediglich rund 300.000 GmbH, so gibt es heute über 1,4 Mio. Gesellschaften in der Rechtsform der GmbH (vgl. Bayer/Lieder/Hoffmann, GmbHR 2022, 777 ff., 779), für die mindestens ein oder mehrere (Fremd-)Geschäftsführer, die nicht gleichzeitig Gesellschafter sind, und/oder geschäftsführende Gesellschafter, die als Mehrheits- oder Minderheitsgesellschafter am Unternehmen beteiligt sind, tätig sind.
Rz. 146
Durch das am 1.11.2008 in Kraft getretene Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen – MoMiG – (BGBl 2008, I, S. 2026) hat die GmbH zusätzlich an Attraktivität gewonnen. Es handelt sich um die umfassendste Reform des GmbH-Rechts seit Bestehen des GmbH-Gesetzes von 1892. Auslöser war u.a. die Wettbewerbssituation zur englischen Limited. Das GmbH-Gesetz wurde dereguliert und flexibilisiert (vgl. Fliegner, DB 2008, 1668 ff.). Mit der Novelle sollten Unternehmensgründungen erleichtert und beschleunigt werden. Von besonderer Praxis-Relevanz ist dabei die neu geschaffene Variante einer Mini-GmbH, die mit einem Stammkapital von unter 25.000,00 EUR – also auch als 1 Euro-GmbH – gegründet werden kann (vgl. BGH v. 22.6.2012 – V ZR 190/11, juris Rn 14 = GmbHR 2012, 953 = ZIP 2012, 1764; Oppenhoff, BB 2008, 1630). Nach § 5a Abs. 1 GmbHG muss in der Firma abweichend von § 4 GmbHG die Bezeichnung "Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)" oder "UG (haftungsbeschränkt)" geführt werden (vgl. Weber, BB 2009, 842; vgl. zur UG [haftungsbeschränkt] & Co. KG, Kock/Vater/Mraz, BB 2009, 848; Heeg, DB 2009, 719). Dieser Zusatz zur Firma ist zwingend erforderlich. Weist eine Unternehmergesellschaft i.S.v. § 5a GmbH-Gesetz nicht die Rechtsform und die Haftungsbeschränkung in der Firma aus, haftet ihr im Rechtsverkehr auftretender Vertreter für den dadurch erzeugten unrichtigen Rechtsschein gem. §§ 311 Abs. 2 und 3, 179 BGB analog (vgl. BGH v. 13.1.2022 – III ZR 210/20 im Anschluss an BGH v. 12.6.2012 – II ZR 256/11, juris). Die Rechtscheinshaftung für den Handelnden analog § 179 BGB greift selbst dann, wenn auf eine Haftungsbegrenzung durch den (falschen) Zusatz “GmbH‘ hingewiesen wurde (vgl. BGH v. 12.6.2012 – II ZR 256/11, DB 2012, 1916 = NJW 2012, 2871; mit kritischer Anm., Altmeppen, NJW 2012, 2833). Die Unternehmergesellschaft fördert Existenzgründungen. Ziel des Gesetzgebers ist es, die Mini-GmbH durch erfolgreiches Wirtschaften mit der Zeit zu einer normalen GmbH zu entwickeln. 25 % des Jahresüberschusses muss gem. § 5a Abs. 3 GmbHG grds. im Unternehmen belassen werden. Ein downgrading einer GmbH in eine UG ist ausgeschlossen (vgl. Berninger, GmbHR 2011, 953 f., 962). Inzwischen gibt es mehr als 170.000 UG (vgl. Bayer/Lieder/Hoffmann, GmbHR 2022, 777 ff., 679, Stand 1.1.2022).
II. Arbeits- und Gesellschaftsrecht
1. Anstellungs- und Organverhältnis
Rz. 147
Der GmbH-Geschäftsführer ist gem. § 35 GmbHG das zur Vertretung der Gesellschaft bestellte Organ der Gesellschaft. Ihm obliegt die Leitung der GmbH. Von der organschaftlichen Bestellung als gesellschaftsrechtlichem Akt ist die Anstellung des Geschäftsführers zu differenzieren. Zwischen Bestellung und Anstellung besteht zwar ein enger tatsächlicher Sachzusammenhang (vgl. zur Koppelung/Verknüpfung der Abberufung mit der Kündigung unten Rdn 237 ff.), rechtlich begründen Bestellung und Anstellung aber zwei verschiedene Rechtsverhältnisse (vgl. BGH v. 11.10.2010 – II ZR 266/08, juris Rn 7; BGH v. 10.5.2010 – II ZR 70/09, juris Rn 9; BGH v. 25.10.2007 – 6 AZR 1045/96, juris; BGH v. 10.2.1992 – II ZR 23/91, DB 1992, 830 = GmbHR 1992, 303; BGH v. 24.11.1980, DB 1981, 308 Trennungstheorie).
2. Rechtscharakter des Anstellungsverhältnisses – Dienst- oder Arbeitsverhältnis?
a) Rechtsprechung des BGH
aa) Arbeitgeberfunktion
Rz. 148
Die Anstellung des Geschäftsführers erfolgt nach der Rspr. des BGH durch Abschluss eines (Geschäftsführer-) Dienstvertrages (vgl. BGH v. 10.5.2010 – II ZR 70/09, juris Rn 7). Das Anstellungsverhältnis des GmbH-Geschäftsführers zur GmbH sei notwendig ein freies Dienstverhältnis, da mit der Organstellung (= Ausübung der Arbeitgeberfunktion, BGH v. 10.9.2001 – II ZR 14/00) die Arbeitnehmereigenschaften von vornherein unvereinbar seien (vgl. BGH v. 26.3.2019 – II ZR 244/17, juris Rn 27). Dieser Dienstvertrag mit Geschäftsbesorgungscharakter gem. §§ 611 ff., 675 BGB (vgl. BGH v. 10.5.2010 – II ZR 70/09, juris Rn 7; BGH v. 9.2.1978 – II ZR 189/76, DB 1978, 878 = AP Nr. 1 zu § 38 GmbHG; BGH v. 7.12.1987, DB 1988, 387 = GmbHR 1988, 138) verpflichtet zum einen den Geschäftsführer zur Übernahme der Organstellung, zum anderen legt er die persönlichen Rechte und Pflichten, d.h. insb. die Aufgaben, Verantwortlichkeiten und Ansprüche des Geschäftsführers ggü. der GmbH bzw. der GmbH & Co. KG, im Einzelnen fest.
bb) Vereinbarung arbeitsrechtlichen Kündigungsschutzes
Rz. 149
Obwohl der BGH stets den Geschäftsführer aufgrund seiner Organstellung als Repräsentant und Arbeitgeber der GmbH sieht, was die Arbeitnehmereigenschaft nach dieser Sichtweise ausschließt, lässt der BGH die Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes auf das ...