Peter Houben, Dr. iur. Martin Schimke
Rz. 258
Nur dann beendet die Abberufung des Geschäftsführers – quasi automatisch – auch den Anstellungsvertrag, wenn der Bestand des Anstellungsvertrages mit der Organstellung wirksam vertraglich verknüpft ist (sog. Koppelungsklausel oder Gleichlaufklausel) bzw. wenn in der Abberufungserklärung zugleich die Erklärung der fristgemäßen oder außerordentlichen Kündigung des Geschäftsführervertrages liegt und im letztgenannten Fall zusätzlich die weiteren Voraussetzungen des § 626 BGB gegeben sind (vgl. zur Abberufung und außerordentlichen Kündigung, unten Rdn 275 ff.) Automatisch bedeutet damit nur im Fall der wirksamen a.o. Kündigung auch “sofort‘, ansonsten sind immer Kündigungsfristen zu beachten (vgl. BGH v. 20.8.2019 – II ZR 121/16, juris Rn 34; BGH v. 9.7.1990 – II ZR 194/89, III. der Gründe, DB 1990, 1709 = NJW 1990, 2622).
Rz. 259
Möglich ist auch die Koppelung des Geschäftsführerdienstvertrages an das Bestehen eines Gesellschafterverhältnisses. Für die Beendigung des Geschäftsführerdienstverhältnisses sind dann gleichwohl die gesetzlichen Mindestkündigungsfristen (s. oben Rdn 255 ff.) zu beachten (vgl. BGH v. 9.7.1990 – II ZR 194/89, III. der Gründe, DB 1990, 1709 = NJW 1990, 2622).
Rz. 260
In der Praxis sind Koppelungsklauseln verbreitet (vgl. Holthausen, NZG 2022, 731). Grundsätzlich ist eine derartige Vereinbarung möglich (vgl. BGH v. 20.8.2019 – II ZR 121/16, juris Rn 34; vgl. OLG München v. 24.3. 2016 – 23 U 1884/15). Bei der Formulierung von Koppelungsklauseln bzw. kombinierten Befristungs-/Kündigungsregelungen ist allerdings besondere Sorgfalt erforderlich, damit hinsichtlich Wirksamkeit und Klarheit kein Zweifel besteht (ebenso Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider, GmbHG, § 35 Rn 464). Dies gilt insb. für die Vertragslaufzeit und Kündigungsfristen, wenn Geschäftsführerverträge mit langen Kündigungsfristen durch die Koppelungsklausel quasi entwertet werden. In verschiedenen Entscheidungen hat der BGH die Wirksamkeit solcher Gleichlaufklauseln im Einzelfall klar verneint (vgl. BGH v. 21.6.1999 – II ZR 27/98, NJW 1999, 3263 = DB 1999, 2103; BGH v. 1.12.1997, NJW 1998, 1480 = DB 1998, 874). Vielmehr gilt dann nach der Rechtsprechung des BGH die Kündigungsfrist des § 622 BGB mit ggf. der Verlängerung nach § 622 Abs. 2 BGB (vgl. BGH v. 20.8.2019 – II ZR 121/16, juris Rn 34).
Rz. 261
Zweifelhaft bzgl. der Kündigungsfrist ist auch folgende vielfach verwandte Formulierung:
Rz. 262
Beispiel: Verknüpfung/Koppelung der Abberufung mit der Kündigung des Geschäftsführervertrages – Auslegung einer unklaren Kündigungsklausel
"Die Abberufung des Geschäftsführers gilt als Kündigung des Anstellungsvertrages zum nächstzulässigen Zeitpunkt."
Rz. 263
Bei dieser Formulierung kann fraglich sein, ob damit der Verweis auf den gesetzlich nächstzulässigen Zeitpunkt, d.h. die kurze Kündigungsfrist des § 621 BGB (nach der BAG-Rspr., s. oben Rdn 255 f.) oder § 622 Abs. 1 oder Abs. 2 BGB (nach der BGH-Rspr., s. oben Rdn 255 f.), oder auf den vertraglich nächstzulässigen Zeitpunkt, d.h. eine möglicherweise wesentlich längere vertraglich vereinbarte Kündigungsfrist, gemeint ist (vgl. auch BAG v. 11.6. 2020 – 2 AZR 374/19, juris Rn 46). Die Problematik stellt sich ebenfalls, wenn in einem befristeten Anstellungsvertrag die ordentliche Kündigung ausgeschlossen ist und es damit einen "nächstzulässigen Zeitpunkt" vor dem Befristungsende nicht gibt (vgl. zur Auslegung, BGH v. 21.6.1999 – II ZR 27/98, NJW 1999, 3263). Nach einem Teil der Literatur kann in einer solchen Koppelung ein Verstoß gegen § 622 Abs. 6 BGB (analog) liegen, da die Kündigungsfrist eines Arbeitnehmers (analog für einen Geschäftsführer) nicht länger sein darf als die des Arbeitgebers (vgl. Bauer/Diller, GmbHR 1998, 809; a.A. Werner, NZA 2015, 1234 ff.,1239 keine Analogie des § 622 Abs. 6 BGB für Organmitglieder). Im Extremfall ist auch die Anwendung von § 242 BGB denkbar, wenn dem Geschäftsführer bei den Vertragsverhandlungen ein völlig anderer Eindruck von der Kündbarkeit seines Vertrages vermittelt wurde. Da der Geschäftsführer nach der Rechtsprechung des BAG beim Abschluss seines Dienstvertrages Verbraucher ist, ist im Übrigen eine (überraschende) Koppelungsklausel am Maßstab des AGB Rechts zu messen (s. nachfolgend Rdn 266).
Rz. 264
Das KG ist im Wege der Auslegung bei einem fest auf 7 Jahre geschlossenen Geschäftsführervertrag zu dem Ergebnis gekommen, dass bei der Formulierung
"Der Widerruf gilt als Kündigung dieses Vertrages zum nächstmöglichen Zeitpunkt"
die kurze Kündigungsfrist des § 622 BGB gemeint sein kann (vgl. KG v. 8.7.1994 – 14 U 7427/92, zwar Revision eingelegt, aber aus anderem Grund, Az. beim BGH: 2 ZR 230/94, zurückverwiesen vom BGH und abgeschlossen durch Vergleich vor dem KG; s.a. unten Rdn 279 die Entscheidung des OLG München v. 8.6.1994, DB 1994, 1972).
Rz. 265
Inzwischen hat sich das BAG wiederholt mit der Wirksamkeit einer "zum nächstzulässigen bzw. nächstmöglichen Zeitpunkt" erklärten Kündigung auseinandergesetzt (vgl. zuletzt BAG v. 11.6.202...