Peter Houben, Dr. iur. Martin Schimke
Rz. 1751
Die zivilrechtliche Wirksamkeit des von den Ehegatten vereinbarten Arbeitsvertrages hat nicht zwangsläufig dessen steuerliche Anerkennung zur Folge. Nach der Rechtsprechung des BVerfG können an den Nachweis eines steuerlich anzuerkennenden Ehegatten-Arbeitsverhältnisses im Steuerrecht über die zivilrechtliche Wirksamkeit hinausgehende besondere Anforderungen gestellt werden, um Missbräuchen entgegenzuwirken (BVerfG v. 17.1.1957, BVerfGE 9, 56, 84; BVerfG v. 24.1.1962, BStBl I, 492, 499; BVerfG v. 26.11.1964 – 1 BvL 14/62, BVerfGE 18, 257, 269 f.; BVerfG v. 26.9.1988, DStZ/E, 373; BVerfG v. 7.11.1995, DB 1995, 2572, 2573; BVerfG v. 7.11.1995, BStBl II 1996, 34). Die Grenzen steuerlicher Anerkennung liegen grds. dort, wo Scheinverträge vereinbart wurden, die nach § 41 Abs. 2 AO steuerlich unwirksam sind. Im Steuerrecht wird daher ein Arbeitsverhältnis zwischen Ehegatten nur dann anerkannt, wenn neben seiner zivilrechtlichen Wirksamkeit folgende weitere Kriterien berücksichtigt sind:
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Vorliegen einer klaren, eindeutigen und ernsthaften Vereinbarung über die wesentlichen Vertragspflichten (BFH v. 26.10.1982, BStBl II 1983, 209 = BB 1983, 481 = DB 1983, 639; BFH v. 24.3.1983, BStBl II 1983, 663; BFH v. 10.8.1988, BStBl II 1989, 137; BFH v. 10.3.1993 – I R 118/91, BStBl II 1993, 604 = DB 1993, 1599 = BetrAV 1994, 79; BFH v. 7.5.1996, BStBl II 1997, 196; Fiedler, ZFE 2002, 220; Seier/Seier, ZFE 2006, 164), und zwar vor Beginn des Leistungsaustausches; |
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tatsächliche Durchführung des vereinbarten Arbeitsvertrags (BFH v. 14.4.1983, BStBl II 1983, 555; FG Düsseldorf v. 6.11.2012 – 9 K 2351/12 E, juris) sowie |
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angemessene Vergütung des Arbeitslohnes und Auszahlung an den Arbeitnehmer-Ehegatten. |
Rz. 1752
Vertragsgestaltung und Durchführung des Arbeitsverhältnisses sind also daraufhin zu prüfen, ob sie auch zwischen Nicht-Ehegatten üblicherweise vereinbart bzw. praktiziert werden (sog. "Fremdvergleich", vgl. u.a.: BFH v. 10.3.1993 – I R 118/91, BStBl II 1993, 604 = DB 1993, 1599 = BetrAV 1994, 79; vgl. auch BVerfG v. 7.11.1995 – 2 BvR 802/90, DB 1995, 2572, 2573; FG Düsseldorf v. 6.11.2012 – 9 K 2351/12 E, juris; FG Köln v. 27.9.2017 – 3 K 2547/16, EFG 2018, 755; Fröhlich/Mirwald, ArbRB 2007, 217; Seier/Seier, ZFE 2006, 164).
Rz. 1753
Gem. § 4 Abs. 4 EStG müssen die Verträge betrieblich veranlasst sein. Nur durch objektive Fakten kann eine entsprechende Beurteilung erfolgen (BFH v. 12.6.1978, BStBl II 1978, 620; BFH v. 22.9.1988, BStBl II 1988, 293; FG Köln v. 27.9.2017 – 3 K 2547/16, EFG 2018, 755).
1. Inhalt und Form des Arbeitsvertrags
Rz. 1754
Ehegatten-Arbeitsverträge sind zivilrechtlich frei vereinbar (§ 1356 BGB) und bedürfen grds. nicht der Schriftform. Ein stillschweigender Vertragsabschluss wird ggü. der Finanzverwaltung allerdings nur dann glaubhaft gemacht werden können, wenn die tatsächliche Abwicklung des behaupteten Vertragsverhältnisses nachgewiesen werden kann und diese auf eine eindeutige (mündliche) Vereinbarung hindeutet (BFH v. 24.3.1983, BStBl II 1983, 663). Vor diesem Hintergrund ist der Schriftform in der Praxis eine nicht zu unterschätzende Nachweisfunktion beizumessen, zumal der Arbeitgeber für die behauptete Existenz eines steuerlich anzuerkennenden Arbeitsverhältnisses nach den Grundsätzen der freien Beweiswürdigung die alleinige Beweislast (Feststellungslast; BFH v. 24.6.1976, BStBl II 1976, 562) trägt. Vor diesem Hintergrund ist die schriftliche Fixierung eines Ehegatten-Arbeitsvertrags stets ratsam.
a) Rückwirkungsverbot
Rz. 1755
Für Ehegatten-Arbeitsverhältnisse gilt wie für alle Verträge zwischen nahen Angehörigen steuerrechtlich ein sog. "Rückwirkungsverbot", d.h. entsprechende Verträge werden von der Finanzverwaltung nur dann anerkannt, wenn sie für zukünftige Dienstzeiten vereinbart worden sind (vgl. u.a.: BFH v. 31.7.1956, BStBl III 1956, 288; BFH v. 31.1.1961, BStBl III 1961, 209; BFH v. 8.3.1962, BStBl III 1962, 218; BFH v. 7.9.1972, BStBl II 1972, 944; BFH v. 21.8.1985, BStBl II 1986, 250). Dies gilt insb. auch für Lohnerhöhungen, Tantiemen, Gratifikationen sowie Weihnachts- und Urlaubsgehälter (vgl. auch Schoor, FR 1988, 573 f.).
Rz. 1756
Wird dagegen das aufgrund einer mündlichen Vereinbarung formwirksam begründete Arbeitsverhältnis zu einem späteren Zeitpunkt schriftlich fixiert, verstößt diese "Nachholung" nicht gegen das Rückwirkungsverbot. Insoweit liegt eine steuerlich unschädliche schriftliche Bestätigung des bereits vollzogenen Arbeitsverhältnisses vor.
b) Klarheit und Eindeutigkeit
Rz. 1757
Finanzverwaltung wie Rspr. stellen strenge Anforderungen an Form und Inhalt des Arbeitsvertrages, der klar, eindeutig und leicht nachprüfbar sein muss. Dies bedingt u.a., dass ein objektiver Dritter zweifelsfrei erkennen kann, dass die erbrachte Leistung auf einer entgeltlichen Vereinbarung beruht (BFH v. 24.1.1990 – I R 157/86, HFR 1990, 569). Sich widersprechende Vereinbarungen, die nicht erkennen lassen, welche maßgeblich sein sollen, sind ebenso wenig anzuerkennen, wie eine Vereinbarung, die die endgültige Festlegung des Vertragsinhaltes oder einzelner Vertragsbes...