Peter Houben, Dr. iur. Martin Schimke
1. Beschäftigungsverbot
Rz. 60
Hinsichtlich des Abschlusses von Arbeitsverträgen mit Minderjährigen sind zunächst die Beschränkungen des JArbSchG zu beachten. Das Gesetz unterscheidet zwischen Kindern (§ 2 Abs. 1 JArbSchG) und Jugendlichen (§ 2 Abs. 2 und 3 JArbSchG) und spricht in § 5 Abs. 1 JArbSchG ein grundsätzliches Verbot der Beschäftigung von Kindern aus, zu denen jedoch die Abs. 2–5 Ausnahmen statuieren. § 7 JArbSchG ermöglicht eine Beschäftigung von Kindern in einem Berufsausbildungsverhältnis und für leichte Tätigkeiten von max. sieben Zeitstunden täglich und 35 Stunden wöchentlich, soweit sie wegen vorzeitiger Einschulung nicht mehr der Schulpflicht unterliegen.
2. Probleme des Vertragsschlusses
Rz. 61
Beim Vertragsschluss mit Minderjährigen sind insb. die allgemeinen Grundsätze des Minderjährigen- und Vertretungsrechtes zu beachten.
a) Vertragsschluss ohne Ermächtigung nach § 113 BGB
Rz. 62
Ab Vollendung des siebten Lebensjahres und bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres ist ein Minderjähriger in der Geschäftsfähigkeit beschränkt (§ 106 BGB); ein Arbeits- oder Ausbildungsvertrag (durch den er regelmäßig nicht nur einen rechtlichen Vorteil erlangt) bedarf somit nach § 107 BGB der Einwilligung, also der vorherigen Zustimmung (§ 183 BGB) oder der nachträglichen Genehmigung (§ 184 BGB) des gesetzlichen Vertreters. Hierzu kann der Arbeitgeber den gesetzlichen Vertreter auffordern, sofern der Minderjährige den Vertrag ohne dessen vorherige Einwilligung geschlossen hat, § 108 BGB. Gesetzliche Vertreter sind i.d.R. die Eltern, die grds. gemeinschaftlich auftreten (§§ 1626, 1629 BGB), sich aber gegenseitig bevollmächtigen können. Insoweit gelten die Grundsätze der Duldungs- und Anscheinsvollmacht. Letztere liegt allerdings nur unter besonderen Voraussetzungen vor (vgl. LAG Düsseldorf v. 8.2.1966 – 8 Sa 830/65, FamRZ 1967, 47).
Rz. 63
Können sich die Eltern trotz des Einigungsgebotes des § 1627 S. 2 BGB nicht über den Abschluss des Arbeits- bzw. Ausbildungsvertrages einigen, kann das Familiengericht angerufen werden, § 1628 BGB. Dieses muss auch die Entscheidung der Eltern genehmigen, wenn die Voraussetzungen der §§ 1643 Abs. 1, 1822 Nr. 5 BGB gegeben sind, der Minderjährige also länger als ein Jahr über die Vollendung des achtzehnten Lebensjahres hinaus gebunden wird (abl. Staudinger/Klumpp, BGB, § 113 Rn 43; strittig, vgl. zum Streitstand: Fomferek, NJW 2004, 410 ff.). Das Familiengericht entscheidet auch, wenn der gesetzliche Vertreter ein Vormund ist und das Mündel für länger als ein Jahr gebunden werden soll (§ 1822 Nr. 6 oder 7 BGB). Eltern hingegen brauchen bei der Zustimmung zu einem Rechtsgeschäft, mit dem das gesetzlich vertretene Kind bei der Eingehung eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses zu persönlichen Leistungen für längere Zeit als ein Jahr verpflichtet werden soll, keine Genehmigung des Familiengerichts nach § 1643 Abs. 1 BGB (BAG v. 25.4.2013 – 8 AZR 453/12, NZA 2013, 1206).
Rz. 64
Der Arbeitgeber kann den Arbeitsvertrag wegen der Minderjährigkeit des Arbeitnehmers bis zur Genehmigung des gesetzlichen Vertreters widerrufen (§ 109 Abs. 1 S. 1 BGB), wenn ihm die Minderjährigkeit nicht bekannt war oder der Minderjährige wahrheitswidrig das Vorliegen der Einwilligung des gesetzlichen Vertreters behauptet hat.
b) Vertragsschluss mit Ermächtigung nach § 113 BGB
Rz. 65
Gem. § 113 BGB kann der gesetzliche Vertreter dem Minderjährigen eine Ermächtigung erteilen, in Dienst und Arbeit zu treten. Diese Ermächtigung hat zur Folge, dass der Minderjährige für die in § 113 BGB aufgeführten Rechtsgeschäfte unbeschränkt geschäftsfähig ist. Dies umfasst nach herrschender Meinung nur solche Geschäfte, die verkehrsüblich und nicht außergewöhnlich sind (vgl. ArbG Wilhelmshaven v. 3.5.1965, AuR 1966, 92; Staudinger/Klumpp, BGB, § 113 Rn 27; ErfK/Preis, BGB, § 113 Rn 7). Hierunter fallen i.d.R. auch Abreden über Draufgaben, Vertragsstrafen (vgl. über Schadensersatzansprüche, Erteilung von Ausgleichsquittungen, LAG Hamm v. 8.9.1970 – 3 Sa 481/70, DB 1971, 779, 780; Brill, BB 1975, 284 ff.), tarifvertraglich vorgesehene Gestaltungsmöglichkeiten (BAG v. 8.6.1999 – 3 AZR 71/98, NZA 2000, 34 ff.) oder Anerkennung von Schadensersatzansprüchen und Ähnliches.
Rz. 66
Der Minderjährige ist auch prozessfähig, soweit der Umfang der Genehmigung nach § 113 BGB reicht (Küttner/Röller, Personalbuch, Minderjährige, Rn 13; Staudinger/Klumpp, BGB, § 113 Rn 1, 3, 24, 45).
Rz. 67
Umstritten ist, in welchem Umfang die Ermächtigung nach § 113 BGB Geschäfte deckt, die lediglich im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehen. Nach überwiegender Ansicht kann der Minderjährige Geschäfte abschließen, die unmittelbar mit dem Arbeitsverhältnis verknüpft sind, etwa einer Gewerkschaft beitreten, da sich dies unmittelbar auf seinen Arbeitsvertrag auswirkt (vgl. LG Frankenthal v. 14.3.1966, DB 1966, 386; Küttner/Röller, Personalbuch, Minderjährige, Rn 13). Die Rechtsnormen des Tarifvertrags gelten gem. § 4 Abs. 1 TVG unmittelbar und zwingend (LG Frankenthal v. 14.3.1966, DB 1966, 386; LG Düsseldorf v. 10.3.1966, DB 1966, 587). Nicht gedeckt von der Ermächtigung ist allerdings z.B. die Darlehensaufnahme bei ...