Peter Houben, Dr. iur. Martin Schimke
Rz. 1818
Im Grundsatz verboten (bestätigt durch BVerfG, 6.10.1987 – 1 BvR 1086/82) ist der gewerbsmäßige Verleih von Arbeitern (nicht Angestellten) in Betriebe des Baugewerbes (§ 1b AÜG). Erfasst werden damit die in den §§ 210, 211 SGB III a.F. i.V.m. der Baubetriebe-VO (zuletzt geändert durch Art. 37 G. v. 20.12.2011, BGBl I, 2854) aufgelisteten Bauarbeiten (bestätigt durch BGH v. 17.2.2000, III ZR 78/99). Es handelt sich um ein Verbotsgesetz i.S.d. § 134 BGB (LSG Sachsen-Anhalt v. 21.3.2019 – L 2 AL 52/15).
Ob ein Entleiher Baubetrieb ist, kann der Verleiher oft nicht wissen. Die SOKA-Bau in Wiesbaden gibt unter Berufung auf das Datenschutzgesetz keine Auskunft über eine dort bestehende (Zwangs-) Mitgliedschaft, hat aber ein eigenes Interesse an der Nennung des Unternehmens, um es ggf. selbst auf Mitgliedsbeiträge in Anspruch nehmen zu können. Die BA wird regelmäßig Auskunft geben; diese muss jedoch nicht notwendig richtig sein. In der Praxis entsteht daraus zuweilen Streit, meist im Rahmen von Ermittlungsverfahren gegen Verleiher, die auf die Selbstauskunft eines Entleihers, er betreibe kein Baugewerbe, vertraut haben.
Rz. 1819
Betroffen sind nur Betriebe, die gewerblich überwiegend Bauleistungen erbringen (§ 101 Abs. 2 S. 1 SGB III). Bauleistungen sind dabei alle Leistungen, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen. Nach § 101 Abs. 1 Nr. 3 SGB III i.V.m. § 97 S. 2 SGB III sind Betriebsabteilungen Betrieben gleichgestellt. Das sektorale Verbot der Arbeitnehmerüberlassung in Betriebe des Baugewerbes (§ 1b S. 1 AÜG) kann sich daher auch auf Betriebsabteilungen eines Betriebes erstrecken, der an sich nicht dem Bauhauptgewerbe zuzuordnen ist. Zur Frage, wann ein Unternehmen des Baugewerbes i.S.d. § 28e Abs. 3a SGB IV anzusehen ist, vgl. BSG v. 27.5.2008 – B 2 U 21/07 R.
Rz. 1820
Bei Verstoß gegen § 1b AÜG ist jedenfalls der Arbeitnehmerüberlassungsvertrag gem. § 134 BGB nichtig (Schüren/Hamann, § 1b Rn 90). Bereits ausgetauschte Leistungen sind nach den allgemeinen bereicherungsrechtlichen Vorschriften der §§ 812ff. BGB und den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen bezüglich der Rückabwicklung von nach § 9 Nr. 1 AÜG unwirksamen Verträgen zurückzugewähren. Arbeitsrechtliche Konsequenzen hat ein Verstoß gegen § 1b AÜG hingegen nicht (BAG v. 13.12.2006 – 10 AZR 674/05; so schon früher Sandmann/Marschall, § 1b Rn 14; differenzierend noch Schüren/Hamann, § 1b Rn 94 ff.). Verleiher und Entleiher haben aber ein Bußgeld nach § 16 Abs. 1 Nr. 1f, Abs. 2 AÜG zu befürchten (vgl. unten Rdn 1870).
Rz. 1821
Gestattet ist die Überlassung in das Bauhauptgewerbe nach § 1b S. 2 AÜG, wenn beide Betriebe von denselben Rahmen- und Sozialkassentarifverträgen oder deren Allgemeinverbindlichkeit erfasst werden. Diese Voraussetzungen können ausländische Bau-Verleiher ohne Tarifbindung im Inland nicht erfüllen. Deshalb hatte der EuGH Deutschland auch insoweit wegen Verstoßes gegen die Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit verurteilt (EuGH v. 25.10.2001 – C 493/99). Danach wurde im Gesetz ein S. 3 angefügt, wonach auf die deutsche Tarifbindung für Arbeitgeber mit Geschäftssitz in einem anderen Mitgliedstaat des EWR verzichtet wird, wenn sie nachweislich seit mindestens drei Jahren überwiegend Tätigkeiten ausüben, die unter den Geltungsbereich derselben Rahmen- und Sozialkassentarifverträge fallen, von denen der Entleiherbetrieb erfasst wird.
Praxistipp
Auch in Fällen des § 1 Abs. 3 AÜG (Ausnahmetatbestände des Arbeitnehmerüberlassungsverbotes), sowie bei der anzeigepflichtigen Kollegenhilfe für Kleinunternehmer (§ 1a AÜG) findet das sektorale Verbot der Arbeitnehmerüberlassung in das Baugewerbe ebenfalls Anwendung.