Peter Houben, Dr. iur. Martin Schimke
Rz. 1592
Die angestellte Vertriebskraft hat ein berechtigtes Interesse, die Abrechnungen des Arbeitgebers auf ihre Richtigkeit überprüfen zu können. Daher sind ihr durch §§ 65, 87c HGB verschiedene Rechte zur Kontrolle eingeräumt. Durch diese soll die Vertriebskraft die Möglichkeit erlangen, Kenntnis über Umfang, Höhe, Fälligkeit und Wegfall ihrer Provisionsansprüche zu erlangen (Küstner/Thume/Castelletti, HdB-VertR, Bd. III, Kap. 5 Rn 60). Die seitens des Arbeitgebers gem. § 87c Abs. 1 i.V.m. § 65 i.V.m. § 59 HGB geschuldete Provisionsabrechnung ist so zu gestalten, dass die angestellte Vertriebskraft die einzelnen Geschäfte identifizieren und die Provisionsberechnung nach der Bemessungsgrundlage und den zugrunde gelegten Provisionssatz überprüfen kann (LAG Thüringen v. 18.11.2015 – 6 Sa 311/14, EversOK Ls. 35). Deshalb kann der Arbeitgeber dem auf Erteilung der Abrechnung gerichteten Erfüllungsanspruch der Vertriebskraft nicht entgegenhalten, in seinen Entgeltabrechnungen Zahlbeträge aufgeführt zu haben, die schlicht mit Provision bezeichnet sind (LAG Thüringen v. 18.11.2015 – 6 Sa 311/14, EversOK Ls. 36). Ebenso wenig steht dem Anspruch der angestellten Vertriebskraft auf ordnungsgemäße Abrechnung entgegen, dass die erteilten Abrechnungen "akzeptiert" worden sind (LAG Baden-Württemberg v. 12.2.2020 – 10 Sa 13/19, EversOK Ls. 32). Nach den Vorschriften der §§ 59, 65, 87 c Abs. 2 HGB (LAG Baden-Württemberg v. 12.2.2020 – 10 Sa 13/19. EversOK Ls. 34) kann die angestellte Vertriebskraft bei der Abrechnung ein Buchauszug über alle provisionspflichtigen Geschäfte verlangen (LAG Rheinland-Pfalz v. 28.1.2009 – 7 Sa 434/08, EversOK Ls. 3). Dass der Arbeitgeber Abrechnungen erteilt hat, steht dem Anspruch nicht entgegen, weil der Buchauszug dazu dient, Klarheit über die Provisionsansprüche zu schaffen und der Buchauszug die angestellte Vertriebskraft befähigen soll, die erteilte oder zu erteilende Provisionsabrechnung nachprüfen (BAG v. 6.5.2009 – 10 AZR 390/08, EversOK Ls. 4) und den Provisionsanspruch richtig zu beziffern zu können (LAG Thüringen v. 14.12.2021 – 1 Sa 177/20, EversOK Ls. 2). Gem. §§ 65, 59 HGB ist auch die Regelung des § 87c Abs. 3 HGB auf Arbeitsverhältnisse mit angestellten Vertriebskräften anwendbar, nach denen diese vom Arbeitgeber Mitteilung über alle Umstände verlangen können, die für ihre Provisionsansprüche, deren Fälligkeit und Berechnung wesentlich sind (BGH v. 21.3.2001 – VIII ZR 149/99, EversOK Ls. 20 m.w.N.; LAG Rheinland-Pfalz v. 14.7.2015 – 6 Sa 409/14, EversOK Ls. 4). Nach dem Willen des Gesetzgebers soll der Auskunftsanspruch nach § 87c Abs. 3 HGB zwar erst eingreifen, wenn trotz Abrechnung und schriftlichem Buchauszug noch Fragen hinsichtlich der Entstehung, der Fälligkeit und der Berechnung des Provisionsanspruchs offenbleiben (amtl. Begr. des RegE zu § 87c Abs. 3, BT-Drucks I/Nr. 3856, 29). Praktisch wird der Auskunftsanspruch aber nicht nur insoweit, als die Erstellung eines Buchauszugs nicht möglich ist, weil der Arbeitgeber über die erforderlichen Bücher nicht oder nicht mehr verfügt (OLG Hamm v. 18.9.1998 – 35 U 43/97, EversOK Ls. 1 m.w.N.), sondern auch, wenn die angestellte Vertriebskraft bestimmte Informationen zu einzelnen Geschäften begehrt, ohne sogleich einen Buchauszug geltend zu machen. Denn der Auskunftsanspruch nach § 87c Abs. 3 HGB ist gegenüber dem Anspruch auf Buchauszug nicht nachrangig (LAG Thüringen v. 14.12.2021 – 1 Sa 177/20, EversOK Ls. 81; LAG Hessen v. 30.11.2015 – 10 Ta 328/15m, EversOK Ls. 25; OLG Köln v. 22.8.2014 – 19 U 177/13, EversOK Ls. 4). Wird der Buchauszug verweigert oder bestehen begründete Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Abrechnung oder des Buchauszuges, kann die angestellte Vertriebskraft gem. § 87c Abs. 4 i.V.m. §§ 65, 59 HGB verlangen, dass nach Wahl des Unternehmers entweder einem Buchsachverständigen oder einem Wirtschaftsprüfer Einsicht in die Geschäftsunterlagen gewährt wird. Dadurch soll dem Arbeitnehmer Klarheit über die Richtigkeit der Abrechnung und eine Kontrollmöglichkeit gegeben werden. Ist ein Buchauszug erteilt worden, besteht ein Anspruch auf Neuerteilung eines Buchauszuges nur bei schweren, den erteilten Buchauszug unbrauchbar machenden Mängeln (BGH v. 20.2.1964, EversOK Ls. 4 = BB 1964, 409; LAG Rheinland-Pfalz v. 28.1.2009 – 7 Sa 434/08, EversOK Ls. 3). Ist es der angestellten Vertriebskraft mangels detaillierter Angaben mit dem vom Arbeitgeber erteilten Verzeichnis nicht möglich, die Einzelumsätze der ihr unterstellen Vertriebspersonen zu überprüfen, begründet dies einen schweren Mangel, auch wenn der angestellten Vertriebskraft nach § 87c Abs. 3 HGB entsprechende Auskünfte zustehen (a.A. LAG Rheinland-Pfalz v. 28.1.2009 – 7 Sa 434/08, EversOK Ls. 13), sodass der Vertriebskraft ein Anspruch auf Neuerteilung des Buchauszugs zusteht. Maßgeblich hierfür ist der Umstand, dass es nicht die Aufgabe der angestellten Vertriebskraft ist, sich die Informationen, die er mit einem Buchauszug begehrt, zusammen zu such...