Peter Houben, Dr. iur. Martin Schimke
Rz. 1610
Die örtliche Zuständigkeit des Gerichtes ist bei gerichtlichen Auseinandersetzungen zwischen den angestellten Vertriebskräften und den Arbeitgebern problematisch. Grds. gelten gem. § 46 Abs. 2 ArbGG die Normen der ZPO. Als allgemeiner Gerichtsstand gilt nach § 13 ZPO der Wohnsitz der Person des Beklagten (s. dazu § 52 Rdn 44).
Rz. 1611
Gem. § 29 ZPO ist für Streitigkeiten aus einem Vertragsverhältnis und über dessen Bestehen das Gericht zuständig, an dem die streitige Verpflichtung zu erfüllen ist. Die Bestimmung des Erfüllungsortes richtet sich nach den §§ 269, 270 BGB. Der Erfüllungsort der vertraglichen Pflichten der angestellten Vertriebskraft ist der Ort, an dem sie die von ihr geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen hat. Wo die Arbeitsleistung zu erbringen ist, kann grds. zwischen den Vertragsparteien vereinbart werden, vgl. § 269 Abs. 1 BGB. Solche Vereinbarungen sind jedoch für die Bestimmung des Gerichtsstandes bedeutungslos. Denn da die angestellte Vertriebskraft kein Kaufmann ist, ist die Vereinbarung eines Gerichtsstands gem. § 29 Abs. 2 ZPO nicht möglich.
Rz. 1612
Für eine angestellten Vertriebskraft soll dasjenige Gericht örtlich zuständig sein, in dessen Bereich der Schwerpunkt der tatsächlichen Arbeitsleistung liegt. Die Bestimmung dieses Ortes ist für angestellte Vertriebskräfte jedoch nicht zweifelsfrei, wenn sie ihre Tätigkeit an wechselnden Orten erfüllen. Aus diesem Grunde wird überwiegend der Wohnsitz der angestellten Vertriebskraft als Ort, an dem sie organisatorische Tätigkeiten, Berichtsabfassungen und ähnliche Tätigkeiten verrichtet, als Erfüllungsort i.S.d. § 269 Abs. 1 BGB und § 29 Abs. 1 ZPO angesehen. Zur Begründung wird angeführt, dass eine angestellte Vertriebskraft, die in einem größeren Bezirk ihre Arbeitsleistung zu erbringen habe, diese von ihrem Wohnsitz aus organisiere. Daher sei ihr Wohnsitz als Erfüllungsort anzusehen. Mit Recht ist dem entgegengehalten worden, dass die allein am Wohnsitz vorzunehmenden Verpflichtungen i.d.R. nur Nebenpflichten sind, die schon zeitlich nicht wesentlich ins Gewicht fallen. Nur dann, wenn die angestellte Vertriebskraft ihre vertragliche Reisetätigkeit ausschließlich im Bezirk des angerufenen Arbeitsgerichts entfaltet, ist dieses gem. § 29 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 269 BGB örtlich zuständig. Teilweise wird aber auch der Sitz des Betriebes des Arbeitgebers als der Ort angesehen, der als Gerichtsstand des Erfüllungsortes gelten soll, wenn ein anderer Ort nicht feststellbar ist. Entscheidend für die Ermittlung des Schwerpunktes des Arbeitsverhältnisses sei der Ort, wo sich die betriebliche Organisation befindet, die zum konkreten Arbeitsverhältnis in Bezug stehe. Auf die bloße Belegenheit der Arbeitsstelle komme es nicht an (vgl. ArbG Leipzig v. 14.2.2002, EversOK Ls. 8 = BB 2002, 683; LAG Hessen v. 14.11.1951, EversOK Ls. = BB 1952, 603). Die Begründung, vom Sitz des Arbeitgebers werde die tatsächliche Arbeitsleistung gelenkt, folglich sei auch der Sitz des Arbeitgebers für die Gerichtsstandsermittlung maßgeblich, vermag jedoch nicht zu überzeugen. Denn es geht um die vertragstypische Leistung der angestellten Vertriebskraft. Im Zweifel ist daher davon auszugehen, dass die Vorschrift des § 269 Abs. 1 BGB auf Verträge mit angestellten Vertriebskräften nicht anwendbar ist, deren Reisegebiet sich über mehr als einen Gerichtsbezirk erstreckt und die von ihrem Wohnsitz aus nur Nebenpflichten erfüllen (zum Gerichtsstand insgesamt vgl. BAG v. 12.6.1986, RIW 1987, 462 = DB 1987, 1742; ArbG Leipzig v. 14.2.2002, EversOK Ls. 2 ff. = BB 2002, 683; ArbG Bayreuth v. 11.8.1993, NZA 1993, 1055; ArbG Solingen v. 24.3.1993, NZA 1994, 480; ArbG Augsburg v. 18.9.1995, EversOK Ls. = NZA-RR 1996, 185; ArbG Saarlouis v. 15.11.1995, EversOK Ls. 14; ArbG Pforzheim v. 10.8.1993 – 3 (1) Ca 597/94, NZA 1994, 384; ArbG Regensburg v. 16.3.1994, NZA 1995, 96; ArbG Bamberg v. 8.11.1995, NZA 1995, 864; ArbG Lübeck v. 12.1.2001, NZA 2002, 45; LAG Rheinland-Pfalz v. 29.11.1984, EversOK Ls. = NZA 1985, 540; Ostrop/Zumkeller, NZA 1994, 644; Ehler, BB 1995, 1849; Müller, BB 2002, 1094, 1095).