Rz. 34
In Anwendung des Abstraktionsprinzips muss auch im Vollmachtsrecht zwischen der Vertretungsmacht im Außenverhältnis und dem Rechtsverhältnis zwischen dem Vertreter und dem Vertretenen (Innenverhältnis) unterschieden werden. Vollmachtsurkunden enthalten in der Regel den Hinweis, dass die Vollmachten im Außenverhältnis unbeschränkt sein sollen. Dieses Außenverhältnis beschreibt das rechtliche "Können" gegenüber dem Geschäftsverkehr. Es empfiehlt sich – nicht nur – im Rahmen geschäftlich erteilter Vollmachten, dieses Außenverhältnis unbeschränkt auszugestalten, es sei denn, man greift auf die vertypte Prokura zurück, deren Reichweite gesetzlich geregelt ist. Selbstverständlich ist auch eine eingeschränkte Bevollmächtigung denkbar, so dass also beispielsweise die reine Bankvollmacht natürlich nur zur Vornahme entsprechender von der Vollmacht erfasster Rechtsgeschäfte berechtigt. Ansonsten braucht aber auch ein Unternehmer jemanden, der ihn im Außenverhältnis allumfassend vertreten kann, also im Außenverhältnis "alles kann". Eine solche Generalvollmacht kennt allerdings ebenfalls das Innenverhältnis, das also definiert, unter welchen Voraussetzungen der Bevollmächtigte den Vollmachtgeber im Außenverhältnis überhaupt vertreten darf (das rechtliche Dürfen).
Rz. 35
Die Definition dieses Innenverhältnisses ist insbesondere für den Zeitraum nach dem Erbfall nicht ohne Relevanz. Die Rechte und Pflichten aus dem Innenverhältnis gehen, soweit der Vollmachtgeber betroffen ist, auf dessen Erben über. Insbesondere die Rechte spielen bei der Frage, in welchem Umfang der Erbe des Vollmachtgebers gegenüber dem Bevollmächtigten Auskunfts- und Rechenschaftsansprüche hat, eine Rolle. In all diesen Fällen wäre zunächst zu fragen, ob ggf. ein Auftragsverhältnis im Sinne des § 662 BGB zustande gekommen ist. Dies dürfte der häufigste Fall des zugrundeliegenden Rechtsverhältnisses sein. In diesen Fällen würde der Auftragnehmer durch die Annahme des Auftrags verpflichtet sein, das ihm übertragene Rechtsgeschäft unentgeltlich zu besorgen. Aus diesem Auftragsverhältnis ergibt sich die Rechenschaftspflicht gem. § 666 BGB und die Pflicht zur Herausgabe des durch den Auftrag Erlangten gem. § 667 BGB.
Rz. 36
Da in den meisten Vollmachtsformularen das Innenverhältnis nicht weiter ausgestaltet wird – man geht hier wohl von Selbstverständlichkeiten aus – wird man auch im Nachhinein das Zustandekommen eines derartigen Auftrags als gegeben ansehen, in dem nämlich ein konkludent geschlossener Vertrag zu unterstellen ist.
Rz. 37
Die zur Annahme derartigen schlüssigen Handelns führenden Handlungsteile sind die Vollmachtserteilung und Aushändigung der Vollmachtsurkunde durch den Vollmachtgeber einerseits und die Entgegennahme der Urkunde bzw. das Handeln aufgrund der Vollmacht andererseits. Gerade im geschäftlichen Bereich wird man bei Ausübung der Vollmacht den ansonsten gelegentlich schwer festzustellen Rechtsfindungswillen des Bevollmächtigten feststellen können. Es kommt hier zwar auf die Gesamtschau aller Umstände an, nach Ansicht des BGH insbesondere auf die Art der Gefälligkeit, ihre rechtliche und wirtschaftliche Bedeutung und insgesamt die bestehende Interessenlage. Bei Ausübung einer Vollmacht im Geschäftsverkehr dürfte aber ein solcher Rechtsbindungswillen in der Regel zu bejahen sein, da nicht unerhebliche wirtschaftliche Interessen betroffen sein können. Reichen die objektiven Kriterien nicht aus, ein Auftragsverhältnis anzunehmen, kommt die Prüfung eines Geschäftsbesorgungsvertrages bei gegen Bezahlung durchgeführter Rechtsgeschäfte oder aber die Geschäftsführung ohne Auftrag gem. § 677 BGB in Betracht, wobei nochmals darauf hinzuweisen ist, dass bei geschäftlich gewandten Beteiligten zumindest ein Auftragsverhältnis anzunehmen sein dürfte.