Norbert Schneider, Lotte Thiel
1. Überblick
Rz. 37
Der nicht im Gerichtsbezirk niedergelassene und auch dort nicht wohnende auswärtige Anwalt darf nach dem Gesetzeswortlaut nur dann beigeordnet werden, wenn dadurch keine weiteren Kosten entstehen (§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG i.V.m. § 121 Abs. 3 ZPO; § 76 Abs. 3 FamFG). Das wiederum ist der Fall, wenn
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dem Mandanten auch ein Verkehrsanwalt und/oder ein Beweisanwalt zugestanden hätte (siehe Rdn 40), |
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wenn die höchstmöglichen Reisekosten eines noch im Gerichtsbezirk niedergelassenen Anwalts nicht geringer sind (siehe Rdn 47 ff.), |
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wenn der auswärtige Anwalt nur eingeschränkt zu den Bedingungen eines im Gerichtsbezirk niedergelassenen Anwalts beigeordnet wird (siehe Rdn 51 ff.). |
Rz. 38
Die Rspr. geht insoweit zum Teil davon aus, dass ein nicht im Bezirk des Gerichts niedergelassener Rechtsanwalt mit dem Beiordnungsantrag stillschweigend sein Einverständnis zur Beiordnung zu den Bedingungen eines am Gerichtssitz niedergelassenen Rechtsanwalts erteilt. Das dürfte unzutreffend sein. Der Anwalt sollte daher klarstellen, dass der von ihm vertretene Beteiligte die uneingeschränkte Beiordnung beantragt und mit einer eingeschränkten Beiordnung nicht einverstanden ist.
2. Uneingeschränkte Beiordnung
Rz. 39
Die Frage, ob eine Einschränkung der Beiordnung hätte vorgenommen werden müssen, spielt dann keine Rolle, wenn uneingeschränkt beigeordnet worden ist. In diesem Fall ist die uneingeschränkte Beiordnung für das Verfahren auf Festsetzung der Vergütung des beigeordneten Anwalts auch dann bindend, wenn der Anwalt nur zu den Bedingungen eines im Gerichtsbezirk niedergelassenen Anwalts hätte beigeordnet werden dürfen. Der Anwalt erhält daher in diesem Fall seine gesamten Reisekosten aus der Landeskasse.
Beispiel 21: Reisekosten des auswärtigen Anwalts (uneingeschränkte Beiordnung)
Dem in Köln ansässigen Antragsgegner wird vor dem FamG Köln ein Anwalt aus Düsseldorf ohne Einschränkung beigeordnet.
Die Beiordnung hätte hier zwar nur zu den Bedingungen eines im Gerichtsbezirk niedergelassenen Anwalts erfolgen dürfen, da ein Kölner Mandant keinen Anwalt aus Düsseldorf benötigt. Ungeachtet der fehlerhaften Beiordnung ist diese jedoch bindend. Die Landeskasse muss die Reisekosten des Düsseldorfer Anwalts zahlen.
3. Anspruch auf Verkehrsanwalt oder Beweisanwalt
Rz. 40
Ein Anspruch auf uneingeschränkte Beiordnung des auswärtigen Anwalts besteht dann, wenn der bedürftige Beteiligte einen Anspruch auf Beiordnung eines Verkehrsanwalts nach § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG i.V.m. § 121 Abs. 4 ZPO oder nach § 78 Abs. 4 FamFG hat und die zu erwartenden Reisekosten die Mehrkosten eines Verkehrsanwalts nicht übersteigen.
Rz. 41
Gleiches gilt, wenn der bedürftige Beteiligte einen Anspruch auf die zusätzliche Beiordnung eines Beweisanwalts hätte. Diese Variante hat in der Praxis allerdings keine Bedeutung, so dass hier nicht weiter darauf eingegangen wird. Soweit ein solcher Fall auftreten sollte, gilt das Gleiche wie beim Verkehrsanwalt.
Rz. 42
In diesen Fällen handelt es sich bei den Reisekosten nicht mehr um "weitere Kosten" i.S.d. § 121 Abs. 4 ZPO, also um nicht um Mehrkosten, weil durch die Beiordnung des auswärtigen Anwalts die Kosten eines zusätzlichen Verkehrsanwalts erspart werden, der dann selbstverständlich nicht mehr beigeordnet werden kann, ebenso wenig wie ein Terminsvertreter.
Beispiel 22: Reisekosten des auswärtigen Anwalts (uneingeschränkte Beiordnung)
Der in Hannover ansässige Antragsgegner wird vor dem FamG Köln auf Zahlung von 6.000,00 EUR in Anspruch genommen. Er beantragt Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung seines Hannoveraner Verfahrensbevollmächtigten.
Durch die Beiordnung eines Hannoveraner Verfahrensbevollmächtigten würden zwar Reisekosten entstehen, da dieser Anwalt von Hannover nach Köln zum Termin reisen müsste:
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Fahrtkosten Pkw, Nr. 7003 VV, 2 × 295 km × 0,30 EUR/km |
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177,00 EUR |
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Tage- und Abwesenheitsgeld, Nr. 7005 Nr. 3 VV |
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70,00 EUR |
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Zwischensumme |
247,00 EUR |
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Dabei würde es sich jedoch nicht um Mehrkosten handeln. Hätte der Antragsgegner einen Verfahrensbevollmächtigten in Köln beauftragt, so hätte ihm nach § 76 Abs. 1 i.V.m. § 121 Abs. 4 ZPO; § 76 Abs. 4 FamFG zusätzlich ein Anspruch auf einen Verkehrsanwalt in Hannover zugestanden. Dafür wären angefallen:
1. |
1,0-Verfahrensgebühr, Nrn. 3400, 3100 VV, § 49 RVG |
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267,00 EUR |
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(Wert: 6.000,00 EUR) |
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2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
287,00 EUR |
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Diese Verkehrsanwaltskosten werden jetzt aber dadurch erspart,...