Rz. 391

Auch der Berufungsbeklagte muss für die Berufungsinstanz gesondert Prozesskostenhilfe beantragen (§ 119 Abs. 1 S. 1 ZPO). Auf die in der ersten Instanz abgegebene Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse kann Bezug genommen werden, wenn versichert wird, dass sich zwischenzeitlich nichts geändert hat.[578] Anderenfalls bedarf es einer neuen Erklärung.

 

Rz. 392

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe kann vom Berufungsbeklagten bereits nach Eingang der Berufung gestellt werden. Die Rechtsprechung zur Kostenfestsetzung bei Tätigwerden eines Prozessbevollmächtigten für den Berufungsbeklagten vor der Berufungsbegründung ist aber nicht auf das Prozesskostenhilferecht zu übertragen.[579] Es entspricht der Rechtsprechung des BGH, dass einem Rechtsmittelgegner – jedenfalls dann, wenn er in der Vorinstanz anwaltlich vertreten war – im Allgemeinen Prozesskostenhilfe erst bewilligt werden kann, wenn das Rechtsmittel begründet worden ist und die Voraussetzungen für eine Verwerfung des Rechtsmittels nicht gegeben sind.[580]

 

Rz. 393

 

Hinweis

Dem Berufungsbeklagten kann nach Eingang der Rechtsmittelbegründung Prozesskostenhilfe zur Verteidigung gegen die Berufung nicht mit der Begründung versagt werden, eine Entscheidung über die Zurückweisung der Berufung durch einstimmigen Beschluss (§ 522 Abs. 2 ZPO) stehe noch aus.[581] Hieran hat sich durch die Einführung eines Rechtsmittels gegen den die Berufung gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückweisenden Beschluss nichts geändert.[582]

 

Rz. 394

Gemäß § 119 Abs. 1 S. 2 ZPO ist vom Berufungsgericht nicht zu prüfen, ob die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung gegen die Berufung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder mutwillig erscheint, wenn der Gegner das Rechtsmittel eingelegt hat. Von diesem Grundsatz kann nur in eng begrenzten Ausnahmefällen abgewichen werden. Solche Ausnahmekonstellationen werden angenommen, wenn:

für das Berufungsgericht nach Vorlage der Berufungsbegründung ersichtlich ist, dass das Erstgericht aus Rechtsgründen ein eindeutig falsches Urteil gefällt hat (z.B. zur Zahlung einer Spielschuld verurteilt hat),[583]
der Berufungskläger in der Berufungsbegründung aufzeigen kann, dass der Berufungsbeklagte in der ersten Instanz eindeutig falsch vorgetragen hat und deswegen in der Berufungsinstanz unterliegen wird (z.B. weil der Berufungsbeklagte behauptete, dass eine Forderung noch offen sei, bevor der Berufungskläger in der zweiten Instanz die Quittung auffindet, mit der er beweisen kann, dass er die Forderung bereits ausgeglichen hat),
eine Änderung der tatsächlichen Gegebenheiten eingetreten ist.[584]
[579] BGH FamRZ 2013, 122.
[580] BGH FamRZ 2013, 122; BGH FamRZ 2010, 1147.
[583] OLG Köln VersR 1981, 488; OLG Düsseldorf FamRZ 1988, 416.
[584] BGH NJW-RR 1989, 702, 703; OLG Bamberg FamRZ 1999, 111.

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