Rz. 364

Erhebt das Berufungsgericht die (noch) erforderlichen Beweis nach § 538 Abs. 1 ZPO selbst, kann zum Ergebnis der Beweisaufnahme Stellung genommen werden.

 

Rz. 365

 

Beispiele

In seiner Stellungnahme kann der Berufungskläger:

sich ohne Erweiterung des Tatsachenvortrages mit der Überzeugungskraft des Beweisergebnisses auseinandersetzen und ggf. Widersprüchlichkeiten aufzeigen, um das Ergebnis der Beweisaufnahme zu entwerten,
unter Beachtung von § 530 ZPO substantiierten beweiswürdigenden Tatsachenvortrag führen, mit dem sich das Gericht auseinandersetzen muss und der das Gericht gegebenenfalls zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gem. § 156 ZPO zwingen kann oder
unter Beachtung von § 530 ZPO neuen Beweis oder Gegenbeweis antreten.
 

Rz. 366

Reine "Würdigungsschriftsätze" können bis zum Verkündungstermin eingereicht werden. Soll aber die Stellungnahme zum Beweisergebnis mit ergänzendem Sachvortrag oder neuen Beweisantritten verbunden werden, bedarf es grundsätzlich eines Schriftsatznachlasses. Dieser sollte im Beweistermin stets beantragt werden. Bei komplexen Angelegenheiten oder neuen Erkenntnissen durch die Beweisaufnahme wird grundsätzlich ein Schriftsatzrecht zu gewähren sein.[559] Allerdings muss nicht in jedem Fall ein Schriftsatznachlass gewährt werden. Erbringen etwa die mündlichen Ausführungen eines Sachverständigen gegenüber dem schriftlichen Gutachten keine neuen Beurteilungen oder Erkenntnisse, muss – sofern nicht zur Herstellung von Waffengleichheit anderes geboten ist – kein Schriftsatzrecht eingeräumt werden.[560] Auch bei Unterstützung der Partei in der Beweisaufnahme durch einen Experten bzw. Privatgutachter unter Verdeutlichung einer hinreichenden eigenen Sachkunde bedarf es keines nochmaligen Schriftsatzrechts.[561]

 

Rz. 367

 

Hinweis

Gibt ein Sachverständiger in seiner mündlichen Anhörung bzw. Erläuterung seines Gutachtens neue und das schriftliche Gutachten ergänzende Beurteilungen ab, muss den Parteien – unabhängig von ihrer Sachkunde – Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werden, selbst wenn sie die Einräumung einer Schriftsatzfrist nicht beantragen.[562] Ergibt sich, dass nur die Wiedereröffnung der Verhandlung diese Verletzung heilen kann, muss das Gericht bei pflichtgemäßer Ausübung seines aus § 156 ZPO folgenden Ermessens dergestalt verfahren.[563] Entsprechendes gilt für die im Trend liegende ausschließlich mündliche Gutachtenerstattung.[564]

[559] Vgl. etwa BGH NZBau 2009, 244.
[560] BGH NJW 1991, 1547, 1548.
[561] Vgl. BGH BeckRS 2009, 88191.
[562] BGH NJW 2011, 3040; BGH NJW-RR 2011, 428.
[564] Vgl. auch BGH NJW 2009, 2604.

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