Rz. 318

Nach § 531 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ist neues Vorbringen zulässig, das im ersten Rechtszug infolge eines Verfahrensmangels nicht geltend gemacht wurde. Als erstinstanzlicher Verfahrensmangel kommt insbesondere ein Verstoß gegen die gerichtliche Hinweispflicht nach § 139 ZPO in Betracht. So kann der Berufungskläger seine Berufung auf den Verstoß gegen die Hinweispflicht stützen und diejenigen Angriffs- und Verteidigungsmittel vorbringen, die er vorgebracht hätte, wenn ihm der Hinweis vom Erstgericht rechtzeitig erteilt worden wäre.

 

Rz. 319

 

Formulierungsbeispiel

Das Landgericht hat es gem. § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 ZPO rechtsfehlerhaft unterlassen, dem Kläger, der gegen den Beklagten einen Zahlungsanspruch geltend gemacht hat, den Hinweis zu erteilen, dass das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien nicht als Subunternehmervertrag, sondern als Innengesellschaft zu qualifizieren ist.

Da der Kläger Zahlungsansprüche gegen den Beklagten deswegen (grundsätzlich) nur nach Vorlage einer Auseinandersetzungsabrechnung geltend machen kann[487] und eine solche Auseinandersetzungsabrechnung fehlte, hat das Landgericht die Zahlungsklage abgewiesen. Bei ordnungsgemäßem rechtlichen Hinweis gem. § 139 ZPO hätte der Kläger die erforderliche Auseinandersetzungsabrechnung ordnungsgemäß und rechtzeitig vorgelegt.

Zulässigerweise legt der Kläger die Auseinandersetzungsabrechnung nunmehr gem. § 520 Nr. 4 ZPO i.V.m. § 531 Abs. 2 Nr. 1 ZPO in der Berufungsinstanz vor. Aus der Auseinandersetzungsabrechnung ergeben sich folgende Forderungen und Verbindlichkeiten: [...]

Beweis: Vorlage der Auseinandersetzungsabrechnung.

Gegeneinander saldiert steht dem Kläger somit der bereits erstinstanzlich erhobene Anspruch gegen den Beklagten in voller Höhe zu.

Beweis: wie vor.

Das angefochtene Urteil ist deswegen auf die Berufung des Klägers abzuändern und der Beklagte antragsgemäß zu verurteilen.

 

Rz. 320

Auch andere Verfahrensfehler können als Zulassungsgrund für neues Vorbringen herangezogen werden. So ist neuer Vortrag zuzulassen, wenn:

auf eine lediglich als früher erster Termin gedachte mündliche Verhandlung eine Entscheidung ergeht und einer Partei hierdurch weiteres Vorbringen abgeschnitten wurde;[488]
ein zu gewährender Schriftsatznachlass nicht eingeräumt wurde (vgl. §§ 283, 139 Abs. 5 ZPO);
nach der letzten mündlichen Verhandlung – möglicherweise aufgrund eines Schriftsatzrechts – erstmals gehaltener Vortrag im Urteil berücksichtigt wird, ohne der Gegenseite (dem Berufungskläger) nochmals Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.
[487] BGH NJW 1990, 573 ff.
[488] BVerfGE 69, 126, 139.

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?